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Rache: Die Eingeschworenen 4

Rache: Die Eingeschworenen 4

Titel: Rache: Die Eingeschworenen 4
Autoren: Robert Low
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sackartigen Gewand und mit dem Tuch um den vermutlich kahl geschorenen Kopf, aber sie schritt daher wie eine Königin. Klein und schmal, mit einem Gesicht, das zu groß für sie schien, und Augen, dunkel wie der tiefste Fjord.
    » Sie ist eine Masurin«, sagte Jarl Brand, der meinem Blick gefolgt war. » Sie heißt Tschernoglasow, was aus dem Slawischen übersetzt Schwarzauge heißt– aber die Königin und ihre fette Kuh nennen sie Drosdow, die Amsel.«
    » Eine Sklavin?«, fragte ich zweifelnd, und er schüttelte den Kopf.
    » Das hatte ich auch gedacht, als ich sie zuerst sah«, erwiderte er, » aber es ist schlimmer– sie ist eine Geisel. Sie ist die Tochter des Häuptlings eines Stammes östlich von Polen, die Mieszko in seine Gewalt bringen will. Sie ist stolz wie eine Königin und betet einen Gott mit drei Köpfen an. Vielleicht sind es auch vier, ich bin mir nicht ganz sicher.«
    Ich sah die Frau mit dem Vogelnamen an– nun ja, eigentlich war sie ein Mädchen. Sie war sehr fern der Heimat, wo ihre Landsleute sie nicht so schnell finden würden; sie sollte das friedliche Verhalten ihres Stammes garantieren. Ihr Ausdruck lag irgendwo zwischen Verachtung und einem scheuen Reh, das jeden Moment zur Flucht ansetzen könnte. Wahrhaftig eine undankbare Fracht, über deren Auftauchen hier an meinem Strand ich nicht sonderlich begeistert war.
    Dennoch hatte das alles auch eine unerwartet positive Seite: Thorgunna, die jetzt die Ehre hatte, eine Königin und das Ziehkind eines Jarls in ihrem Haus aufzunehmen, strahlte Jarl Brand und mich an, als hätten wir das alles nur ihr zu Ehren geplant. Brand, der es bemerkte, klopfte mir sacht auf die Schulter und lächelte mitleidig.
    » Warte nur ab«, sagte er, » bis Sigrid euch zeigt, wie eine Königin behandelt werden möchte.«
    Seine Leute entluden Nahrungsmittel und Getränke, was uns sehr willkommen war, und wir alle schwelgten in frischem, überm Feuer geröstetem Pferdefleisch, Lamm, edlem Fisch und gutem Brot– obgleich Sigrid diese Speisen verschmähte, wobei es unklar war, ob vor Übelkeit oder weil sie sich davor ekelte. Thorgunna bedachte mich mit einem vielsagenden Blick– dem ersten von vielen– und fing an, mit ihrer Schwester zu flüstern.
    Da die Frauen alle auf die eine oder andere Weise mit kleinen Kindern zu tun hatten, drehte sich ihr Gespräch mit der stolzen Sigrid natürlich um Säuglinge. Finn, Botolf und ich, zusammen mit Jarl Brand und Koll, seinem kleinen, ernsten Sohn, blieben uns selbst überlassen.
    Der Junge, schneeweiß wie sein Papa, saß reglos und still da. Es musste für einen so kleinen Kerl eine gewaltige Prüfung bedeuten– aus den liebevollen Armen der Mutter in die fremde Welt eines Jarls der Eingeschworenen geschickt zu werden, und trotzdem war er ängstlich bemüht, alles richtig zu machen. Er saß da und überlegte stets, ehe er etwas tat, damit er keinen Fehler machte und seinen Vater blamierte. Es war herzerwärmend, doch gleichzeitig stimmte es einen traurig.
    Es hatte keinen Zweck zu versuchen, ihn aufzumuntern. Zum einen dröhnte die Halle wider vom Feiern und Zechen, sodass man hätte brüllen müssen, und es ist schwer, nett und tröstend zu klingen, wenn man es brüllend tun muss. Zum anderen war er wie gelähmt vor Angst und sah in mir nur den großen fremden Mann, bei dem er zurückgelassen werden sollte, und das konnte für ihn nicht sehr tröstlich sein.
    Schließlich kümmerten Thorgunna und Botolfs Frau Ingrid sich um ihn und bemutterten ihn einfach, worüber er so erleichtert war, dass er sogar ein Lächeln zustande brachte. Jarl Brand seinerseits lachte, aß und trank anscheinend völlig sorglos, und doch war er gekommen, um mir den Jungen dazulassen, was ihm Schmerzen bereitete wie allen Vätern, auch wenn er wusste, dass es sein musste.
    Leo der Mönch hatte alles genau beobachtet, und das überraschte mich nicht. Er war ein Geschichtsschreiber, hatte er mich wissen lassen, der alles über die Belagerung von Sarkel und die Schlacht von Antiochien hören wollte, von jemandem, der an beidem teilgenommen hatte. Oh ja, er war jung und aalglatt und hatte ein gewinnendes Lächeln, dieser Mönch, aber ich hatte die Händler der Großen Stadt kennengelernt und kannte diese Griechen-Römer mit ihren geölten Bärten und ihren Schmeicheleien.
    » Ich habe die Sache mit den Ziehkindern nie verstanden«, sagte Leo, der sich vorbeugte und leise sprach, während Brand und Finn gerade ausgerechnet darüber stritten, wie
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