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Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Titel: Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)
Autoren: Gabi Kreslehner
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Kleines trotziges Mädchen. Und war groß geworden. Erwachsen. Elegant. Gertrud staunte. Wie ist sie schön, dachte sie, warum hab ich das nie gesehen?
    »Mama«, sagte Lilli, »hallo, Mama!« und ließ sich umarmen und merkte, dass sie weich wurde, ein wenig.
    3 Gertrud stand auf der Terrasse, ein letztes Glas Wein in der Hand. Die Kinder waren im Bett, Moritz schon seit zwei Stunden, Lilli seit eben. Christian räumte das Geschirr in die Spülmaschine. Sie hörte ihn rumoren und dachte an das Essen, dessen entspannte Atmosphäre sie alle genossen hatten. Der Kleine war bald müde geworden, und nachdem er noch eine Weile wie eine Klette an Lilli gehangen hatte, bis diese ihm endlich versprochen hatte, morgen früh auch noch da zu sein, konnte sein Vater ihn endlich ins Bett bringen.
    »Ich hab ihn vermisst«, sagte Lilli leise und lächelte. Gertrud nickte. »Er ist ein kleiner Schatz, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Lilli, »ja, das ist er wohl.«
    Leichter Wind kam auf, brachte den Duft reifer Zwetschgen.
    Lilli musste lächeln. »Marmelade? Wie jedes Jahr?«
    Gertrud lächelte auch. »Natürlich«, sagte sie, »man kann die vielen Früchte doch nicht verkommen lassen.«
    »Nein«, sagte Lilli, »kann man nicht. Soll ich dir helfen? Krieg ich ein paar Gläser?«
    »Ja«, sagte Gertrud. »Das wäre schön! Und natürlich kriegst du welche!«
    Sie schwiegen ein bisschen, dann: »Bleibst du eine Weile hier?«
    »Nein«, sagte Lilli, »morgen will ich heim.«
    Gertrud spürte einen Stich des Bedauerns. »Aber ich könnte mich doch um deine Wäsche kümmern, du könntest dich ausruhen und in Ruhe ankommen!«
    »Nein«, sagte Lilli.
    »Aber du …«
    Lilli schüttelte den Kopf, schnitt ihr das Wort ab, keine Diskussion. Kurze Stille. »Ich war in ihrer Ausstellung«, sagte sie schließlich und wartete darauf, dass Gertrud erstarrte, sich kühl wappnete, so wie es immer geschah, wenn dieser Name fiel, Hanna, und er fiel auch so gut wie nie, war ein Tabu, war ein rotglühender Stein, niemand sprach von Hanna, niemand. Lediglich das Foto an der Wand im Wohnzimmer der Großeltern bewies, dass es sie einmal in dieser Familie gegeben hatte.
    Aber dieses Mal erstarrte Gertrud nicht. Sie trank einen Schluck Wein und schaute ihre Tochter müde an. »Und? Sind sie schön, ihre Fotos? Haben sie dir gefallen?«
    »Ja«, sagte Lilli überrascht. »Ja, sie sind wunderschön!« Und hoffte, dass Gertrud weitersprechen würde, aber sie tat es nicht. Sie schaute in die Dunkelheit des Gartens, schaute.
    »Mama«, sagte Lilli und berührte vorsichtig ihren Arm, »Mama!«
    Gertrud schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie und hörte selbst die Heftigkeit in ihrer Stimme, »nein, frag mich nicht. Ich kann dir nichts sagen. Vielleicht irgendwann, vielleicht …«
    Sie brach ab, Lilli nickte, streichelte über Gertruds Arm, schwieg.
    Hanna, dachte Gertrud, von überall her Hanna, und begann zu frösteln im Dunkel der Terrasse. »Vielleicht«, sagte sie, »vielleicht sperre ich den Laden zu und flieg für ein paar Tage nach Griechenland. Es wäre die richtige Zeit dafür. Würdest du dich ein wenig um Moritz kümmern, während Christian arbeitet?«
    »Sicher«, sagte Lilli.
    Christian kam wieder, schenkte Wein nach, Lilli erzählte von London, die Zeit begann zu laufen. Irgendwann stand Gertrud allein auf der Terrasse mit dem letzten Glas Wein, darauf wartend, dass Christian kommen und sie von hinten umarmen würde, wartend, dass er mit seinem Mund ihren Hals entlanggleiten würde. Sie würde ihn abschütteln und sagen: »Es ist spät. Ich bin müde.« Und sie würde gehen, sich nicht umdrehen und trotzdem wissen, dass er da stand mit hängenden Schultern und resigniertem Gesicht und sie auf den Mond wünschte oder zum Teufel oder wohin auch immer.
    Sie zuckte die Schultern. Sie konnte nichts tun, es war, wie es war. Und jetzt gerade war eben Tonio zurückgekehrt, auf irgendeine geheimnisvolle, wahnsinnige Weise zurückgekehrt in ihr Leben und irgendwie auch in Lillis und wahrscheinlich auch in Hannas, und also Hanna auch in ihres, Gertruds.
    Er war einfach auf sie zugekommen an einem der letzten milden Augustabende, als der Herbst schon längst in der Luft lag. Sie war durch die Allee zu ihrem Haus gegangen in einem Kleid aus Kupfer und Stein, die bräunlichen Monde ihres Busens wogten im Rhythmus ihrer Schritte, schwarz-roter Schatten fiel aus dem Dach der Ahornbäume – eine Einheit, kostbar und selten. Und er war einfach losgegangen. Auf
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