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Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Titel: Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)
Autoren: Gabi Kreslehner
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ihn gar nicht reinlassen. Ich sagte ihm, es passe schlecht, er solle sich diesmal eine andere Bleibe suchen. Aber er schaute mich nur verständnislos an, schob mich einfach beiseite und war schon im Haus. Er hat nach den Mädchen gefragt, das war immer seine erste Frage: Was ist mit den Mädchen? Wo sind die Mädchen? Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, bin ihm hinterher, da hat er die Lilli gehört, die hatte Hunger und schrie fürchterlich, und Gertrud kam mit ihr die Treppe herunter, um ihr in der Küche ein Fläschchen zu machen. Jonas war wie vom Donner gerührt, schaute das Kind an, schaute mich an, schaute Gertrud an. Die fing sich zuerst. Meine Tochter, sagte sie, meine Tochter Lilli. Und Jonas staunte und sagte: Aber ich wusste ja gar nicht, dass du … und sie konterte und meinte: Wie auch, du warst doch ewig nicht da. Das hat er geschluckt, vorerst, aber dann …«
    Sie trank einen Schluck Wein.
    »Er quartierte sich ein, ganz selbstverständlich wie immer, und am nächsten Tag war natürlich klar, dass auch Hanna da war, dass sie krank im Bett lag. Warum bringt ihr sie nicht ins Krankenhaus, hat er gefragt, und ich meinte, weshalb, ich sei doch Ärztin. Er sagte, trotzdem, es gehe ihr doch schlecht. Und schaute mich an, als ob ich eine Verbrecherin wäre.«
    Sie schwieg.
    »Ich glaube, spätestens da hat er es gewusst«, fuhr Brendler fort. »Er kam am Abend in mein Arbeitszimmer, setzte sich, schwieg eine Weile und sagte schließlich: Nicht alles ist, wie es scheint, nicht wahr? Ich habe natürlich widersprochen. Ich habe mich entrüstet, hab gefragt, was diese Unterstellungen sollten, dass er das gefälligst lassen solle. Aber er hat nur gesagt: Hör auf! Erzähl mir keinen Scheiß, Hans! Ich kenne dich zu gut.«
    Er schwieg, holte tief Luft. »Ja. So war das. Was sollte ich tun?«
    »Du hast das Falsche getan, Hans«, sagte Dorothee.
    Er nickte. »Ja«, sagte er, »das Falsche.«
    Er schaute sie an, keine Wärme mehr zwischen ihnen.
    »Ich habe ihm alles erzählt. Alles. Ich habe schon während des Erzählens gewusst, dass es ein Fehler war. Ich habe in sein Gesicht geschaut, habe sein Entsetzen gesehen, seine Ungläubigkeit, aber ich konnte nicht aufhören zu reden. Und habe gespürt, wie gut es mir tat, alles auszusprechen, mich … frei zu reden.«
    Er schwieg, nahm einen Schluck Wein, schenkte sich nach.
    »Wir saßen noch lange da und schwiegen. Schauten uns nicht mehr an. Irgendwann sagte er, dass er pleite sei. Und dass er das Herumstreunen in der Welt satthabe. Und dass er eine Frau gefunden habe, die bei ihm bliebe. Und dass es da eine Galerie gäbe in Straßburg, die er übernehmen könnte. Aber dass er eben pleite sei.«
    Wow, dachte Franza. Wow, dahin also können Freundschaften führen, in eine dunkle Einbahnstraße. Und kein Zurück gab es mehr. Keinen Schritt.
    »Ich habe gefragt, wie viel. Er nannte eine Summe. Eine hohe Summe. Ich habe mein Scheckbuch herausgeholt, einen Scheck ausgestellt und ihn auf den Schreibtisch gelegt. Danach bin ich ins Bett gegangen. Und konnte schlafen wie seit Tagen nicht.«
    Er atmete tief durch. »Am nächsten Morgen bin ich als Allererstes in mein Arbeitszimmer. Der Scheck lag nicht mehr da. Und Jonas … Jonas war auch weg, verschwunden, wie er gekommen war. Drei Tage später war der Scheck eingelöst.«
    Stille.
    Ich bin es leid, dachte Franza, ich bin es müde, immer wieder all diese Scheißgeschichten zu hören.
    »Wie ging es weiter?«, fragte sie.
    Er zuckte die Schultern. »Nichts mehr. Es war wie abgeschnitten. Unsere Freundschaft war vorbei. Keiner hat mehr versucht Kontakt aufzunehmen. Er kam nicht mehr. Und wir sind nicht zu ihm gefahren, sind nie in dieser Galerie in Straßburg gewesen. Es war das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben.«
    »Bis vor einem halben Jahr«, sagte Franza.
    Er blickte auf, nickte. »Bis vor einem halben Jahr. Er sah schlecht aus. Krank. Ich hätte ihn fast nicht erkannt.«
    Franza stand auf. »Danke für Ihre Offenheit. Wir melden uns.«
    Sie ging, blieb noch einmal stehen, wandte sich zurück, schaute Dorothee an. »Hatten Sie nie Angst, dass Hanna ihr Trauma aufarbeitet, sich erinnert und herkommt, um ihre Tochter zu fordern?«
    Ein kurzer Augenblick der Stille.
    »Doch«, sagte Dorothee. »Doch. Immer. Jede Sekunde.«
    Tonloses Grauen in ihrer Stimme, Resignation, Ende. »Aber es war, wie es war. Wir hatten uns entschieden. Gab kein Zurück mehr.«
    Franza nickte. Ja, so war das wohl. Irreversibel. Manche
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