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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)
Autoren: Markus Kammer
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Ihm hing der Ruf an, vor lauter Genialität nicht ganz richtig zu ticken. Auch Orzean taugte nicht zur Anführerin, noch nicht. Sie war zu jung. Dem Grubenmann sah man die Jugend nach, auch war er wenigstens in den Dreißigern. Aber wer würde einer Achtundzwanzigjährigen das Schicksal der Hochwelten in die Hände legen? Niemand.
    „Wir müssen weg von hier“, sagte Anbar.
    Er sprach. Endlich. Trotzdem war Legard nicht erleichtert, denn es sah so aus, als werde sich Anbar im nächsten Moment übergeben und dann bewusstlos zusammenbrechen.
    „Wir hätten gleich im Freien bleiben sollen“, sagte Legard, „selbst auf die Gefahr hin, dass sie uns entdecken. Du siehst furchtbar aus.“
    „Ich übe“, erwiderte Anbar.
    „Du übst? Wofür?“
    „Für Ganduup. Wir müssen eins ihrer Tore knacken, zur Festung fahren und dort in der Gruft nach Elsa suchen. Ich habe ihr versprochen, sie zu beerdigen.“
    Legard nahm es staunend zur Kenntnis. Diese Unternehmung war sicherlich das letzte, was Legard sich in der gegenwärtigen Situation hätte einfallen lassen. Sie war schwierig, gefährlich, unvernünftig und nicht das, was Antolia jetzt brauchte. Andererseits brachte sie Anbar zum Laufen. Das war langfristig betrachtet wichtiger als alles andere.
    „Du glaubst also, wir kommen unbemerkt hier weg?“, fragte Legard.
    „Nein, ich glaube, wir kommen am besten hier weg, indem wir bemerkt werden. Wir sollten nicht alleine nach Ganduup gehen. Wir tun einfach so, als ob die Welten untergehen, wenn man uns nicht ohne Fragen und nach allen Kräften unterstützt.“
    „Ah ja“, sagte Legard, „das ist auch eine Methode. Aber wie reden wir uns heraus, wenn wir diese Aktion erfolgreich abgeschlossen haben?“
    „Mir wird schon was einfallen“, erwiderte Anbar und kam mühsam auf die Beine. Er war schwer angeschlagen.
    „Irgendwelche Geschichten, dass tote Raben eine Waffe darstellen, wenn sie in feindliche Hände geraten? So was in der Art?“
    Anbar stützte sich an der Wand ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er atmete tief ein und aus.
    „Kundrien wird nicht meine Lieblingsstadt“, sagte er.
    „Dann glaubst du auch, dass es Kundrien ist? Es ist merkwürdig, wie gut alles erhalten ist. Hast du die Steinmetzarbeiten im letzten Gang gesehen, durch den wir gegangen sind?“
    „Nein.“
    „Sie sind beeindruckend.“
    Legard hob das Notlicht auf und drückte es Anbar in die freie Hand.
    „Festhalten“, sagte Legard, „und pass auf, was du sagst, wenn wir bemerkt werden. Ich verstehe, dass dir das alles gerade herzlich egal ist, aber wenn du ein wenig so tun könntest, als hättest du gerade das Universum vorm Untergang bewahrt, dann würde sich das für uns auszahlen.“
    Anbar starrte in sein Licht und antwortete nicht.
    „Du willst doch nicht aussteigen?“, fragte Legard.
    „Nein“, sagte Anbar nach einer bangen Pause. „Nein, mach dir keine Sorgen. Es bleibt mir ja sowieso nichts ander e s übrig.“
    „Als weiterzumachen?“, fragte Legard.
    „Als zu leben“, sagte Anbar. „Zu leben und das zu tun, was ich normalerweise tue, wenn ich lebe.“
    „Das beruhigt mich. Sehr sogar. Können wir jetzt gehen?“
    Sie gingen nicht. Anbar blieb stehen, wo er war, und wirkte schon wieder geistesabwesend. Legard hoffte inständig, dass das nicht die nächsten Wochen und Monate so weiterging. Schließlich machte Anbar doch noch den Mund auf.
    „Was meinst du, Legard: Dort, wo sie jetzt ist, braucht sie mich nicht mehr, oder?“
    „Das ist schwer zu sagen. Aber vermutlich ist das so.“
    „Wenn sie mich nicht mehr braucht, wäre es dann nicht sinnvoll, wenn ich auch aufhören würde, sie zu brauchen?“
    „Ja, allerdings. Es wäre sehr sinnvoll.“
    „Es geht aber nicht.“
    „Heute nicht, aber in ein paar Jahren vielleicht.“
    „Nein, Legard. Ich kenne mich. Ich mag solche Sinnlosigkeiten. Ich kann sehr stur sinnlose Dinge wollen. Das war schon immer so. Wenn ich jetzt anfinge, nur noch das zu sein, was meine besseren Einsichten mir gestatten, dann hätte ich mich selbst überlebt.“
    „Redest du eigentlich von Sinnlosigkeiten oder von Unmöglichkeiten?“
    „Ich weiß nicht, ich mag beides. Nimm du die Lampe. Mir ist schwindelig, ich brauche beide Hände.“
    Legard nickte. „Gut.“
    „Geh voraus“, sagte Anbar.
    Das tat Legard. Achtsam setzte er einen Fuß vor den anderen, ging Schritt für Schritt einer anderen Zeit entgegen. Es dauerte nicht lange, da erblickte er das Licht am Ende des
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