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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)
Autoren: Markus Kammer
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Schlag, der weithin hallte. Dann kehrte die eisige Stille zurück. Romer wandte sich ab, fest in das wärmende Fell gewickelt, ohne das man es hier draußen nicht aushielt, und stieg langsam die Stufen hinab, die in die Schlucht und von dort in den Torzirkel führten.
    Der Torzirkel war der Grund dafür, warum Sistra sich in diesem Gebirge einer unwirtlichen Welt niedergelassen hatte. Hier gab es Tore noch und nöcher. Die Möwen hatten den silbrig glänzenden Granitstein unter dem Eis ausgegraben und jedes einzelne der über hundert Tore zwischen den spitzen Steingipfeln mit einem trittfesten Zugang ausgestattet, was es Sistra erlaubte, ihre Möwen zu jedem Zeitpunkt überallhin zu schicken, ohne Engpass. In Kriegszeiten war das wichtiger als alles andere. Stets wimmelte es hier von Leuten und Romer war nur eine der Ameisen, die folgsam ihren Dienst verrichteten. Aber damit würde es nun endlich vorbei sein. Ohne Krieg sah Romer keine Veranlassung mehr, sich von Anbar und Sistra als Bote hin- und herschicken zu lassen. Der Frieden machte ihn zu einem freien Mann. Das fühlte sich gut an!
    Der Mann und die Frau, die Romer begleiten sollten, damit er auch ja das richtige Tor erwischte, warteten schon auf ihn. Sie drückten ihm sein Sommerhalt-Kleiderpaket in die Hand und dann ging es los in eine Welt mit einem Stützpunkt, die als Schaltstelle diente. Dort entledigte man sich der warmen Eiszeitkleidung und kleidete sich in einer Weise, die der Zielwelt angemessen war. Die Hochweltler hatten ein ähnliches System. Machte sich ein Außengänger auf den Weg zu seinem Einsatzort, durchquerte er zuvor eine Welt, die als erweiterter Kleiderschrank diente, und versah sich dort mit den passenden Waffen und anderen Gegenständen, die er benötigte. All das zu Zwecken der Tarnung. Denn in unaufgeklärten Welten mussten die Eindringlinge unerkannt bleiben. So war es zu erklären, dass Romer bis zu seinem fünfzehnten Lebensjahr nicht begriffen hatte, dass in Sommerhalt unzählige Fremdweltler ein- und ausgingen. Er hatte es einfach nicht gesehen und das, obwohl die Möwen die Gesetze sehr locker nahmen und Sommerhalt nach ihren Wünschen verändert hatten. Aber wie sollte man das erkennen als Einheimischer? Man hatte ja keine Vergleichsmöglichkeiten. Romer fand es falsch und verwerflich, dass die Bewohner in ihren eigenen Welten so dermaßen verschaukelt wurden. Dass er vom eigenen Großvater verschaukelt worden war, machte es noch schlimmer. Nein, Romer sah sich weder als Antolianer noch als Hochweltler. Er vertrat die Sache der Ahnungslosen, weil er selbst ahnungslos gewesen war.
    Der Morgen in Brisa erstrahlte in merkwürdigem Zwielicht. Der Sonnenschein, der es trotz der Wolkenschleier bis auf die Erde schaffte, war goldbraun. Seine Farbe erinnerte eher an einen Sonnenuntergang als an diese späte Zeit des Morgens. Der alte Friedhof, an dem Romer mit seinen Begleitern aus dem Tor trat, war menschenleer wie immer in letzter Zeit. Die beiden Möwen blieben als Wachen am Tor zurück und Romer machte sich alleine auf den Weg zum Anwesen der Relings. Während seine Schritte über die Pflastersteinwege hallten, einzig begleitet vom Gezwitscher der Vögel in den Bäumen, da wagte er es, sich über seine Zukunft Gedanken zu machen. Jetzt, da es wieder eine gab.
    Er fühlte ein Bedürfnis in sich, eine Sehnsucht. Es war der Wunsch, sesshaft zu werden. Sesshaft im Sinne von: einen Ort finden, an den er immer wieder zurückkehren konnte und wollte. Wo eine Frau ihn freudig empfangen würde, vielleicht mit ein oder zwei Kindern an der Hand. Romer könnte heiraten. So ein Gedanke war ihm zuvor noch nie gekommen. Was würde Amandis tun, wenn er vor ihr niederkniete? Wenn er ihr nach allen Regeln der Kunst sein Herz zu Füßen legte und um ihre Hand anhielt? Sie könnte ihn nicht zurückweisen! Amandis, dieses unvergleichlich anmutige Wesen, würde ihn erhören. Genau so musste ein Mädchen wie sie erobert werden: demütig, ergeben und aus einer tiefen Einsicht heraus. An diesem Morgen einer neuen Zeit war Romer bereit dazu. Er hätte das alles schon viel früher begreifen müssen, doch der Krieg und die Last der dunklen Zeit hatten seine Sinne verdüstert. Jetzt war er sehend und das fühlte sich gut an.
    Er schritt durch den weitläufigen Park der Relings und über den Kiesweg, der zum Haus führte. Selten waren ihm das Gras, die Bäume, der Blick in die Ferne so erhaben erschienen wie in diesen Augenblicken. Die große Haustür war
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