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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)
Autoren: Markus Kammer
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Weg in die Tiefe fortsetzte, waren weit älter, kälter und fremder als jeder alte Raum, den Morawena jemals betreten hatte.
    Morawena bog in eine Gasse ein, die fast völlig von Grünzeug überwachsen war. Heckendichtes Gestrüpp streifte Morawenas Kopf und Gesicht, als sie gebückt durch die enge Gasse schlich. Es roch nach feuchten Steinen und der Luft einer anderen Welt. Morawena kroch tiefer hinab, dann auf einmal fehlte ihr der Mut, weiterzugehen. Es war nicht die Enge, die sie schreckte, auch nicht die kalte Dunkelheit, die hier herrschte, sondern die Stille eines ganzen Zeitalters, das an diesem von Menschen erbauten Ort so vollkommen menschenleer verstrichen war. Er rührte an eine ihrer schlimmsten Ängste, nämlich die, von allen verlassen zu sein. Dann aber entdeckte sie im Dschungel unterhalb einen von Sonne beschienenen Durchlass. Da von dort auch Stimmen kamen, fasste sie sich ein Herz und drückte und drängelte sich tiefer hinab und erreichte schließlich das Ende der Gasse. Sie mündete in einen weiten, sonnigen Platz.
    Morawena blieb im Schutz ihrer dunklen Gasse stehen und beobachtete, wie immer mehr Menschen auf dem Platz eintrafen, der über mehrere Treppen erreichbar war. Lachend und redend standen die Hochweltsoldaten herum, erzählten sich gegenseitig, wie sie überlebt und was sie an diesem Morgen schon herausgefunden und gesehen hatten. Einer wusste zu vermelden, dass die Messgeräte eine ungesetzmäßige Ausdehnung des Landes verzeichnet hatten. Es musste größer geworden sein. Es sei ja auch genug vom Himmel gefallen, erklärte ein anderer. Mehrfach fiel das Wort Kundrien.
    Erst hier im hellen Licht fiel Morawena auf, wie schmutzig und verschwitzt die Leute waren, wie zerfetzt ihre Kleidung. Morawena war viel zu sauber, um nicht aufzufallen. Da konnte sie sich zehnmal in einen Mann verwandeln, ihre Tarnung war sehr unvollkommen, solange sie nicht von oben bis unten schmutzig war und mindestens aus drei Schürfwunden blutete. Bisher hatte sich niemand daran gestört, zu aufregend und verwirrend war das ganze Geschehen. Doch Morawena traute sich in der zu sauberen Aufmachung nicht aus dem Schatten ihrer Gasse heraus.
    Sie hockte sich hin und sah zu, wie Menschen auf dem Platz eintrafen und andere ihn wieder verließen. Eine Stunde verging und Morawena hörte, dass man bereits zwei brauchbare Tore entdeckt hatte. Einige Soldaten waren schon in die Hochwelten zurückgekehrt. Doch wer die Tore benutzen wollte, musste mit langen Wartezeiten rechnen, zu groß war der Andrang. Morawena saß mit halb geschlossenen Augen da und lauschte dem Stimmengewirr. Als sie merkte, dass sie fast einschlief, riss sie die Augen wieder auf und zwang sich dazu, etwas zu tun. Sie kroch zurück ins dichte Gestrüpp der dunklen Gasse und nahm eine Gestalt an, die ihr manchmal lieber war als die jedes Menschen: Sie wurde ein Rabe mit glänzenden Federn und schwarzen Perlenaugen. Als solcher kletterte sie durchs Geäst und machte einen beherzten Hüpfer hinauf aufs nächste Dach. Neugierig lief sie darüber hinweg bis zum Rand und äugte hinab auf das Treiben in den Straßen unterhalb. Sie hatte vor, nach Hagl zu fliegen, konnte sich aber kaum losreißen vom Anblick dieser merkwürdigen, wie vom Tode auferstanden Stadt.
    Wie sie so die Gänge der Menschen verfolgte, wie sie kamen und gingen und die Wege und Treppen erforschten und dabei in immer entlegenere Winkel vordrangen, da fühlte sie etwas wie Genugtuung und Zufriedenheit in sich. Als könne sie das Dasein gerade von einer höheren Warte aus betra chten und feststellen, dass ihr eigenes verworrenes und beschämendes Leben doch nicht so sinnlos war, wie sie einmal geglaubt hatte. Was sie hier vor sich sah, war nicht nur eine Stadt im Licht, die sich nach allen Seiten hin ausbreitete, sondern auch ihr eigenes Leben, das von diesem Punkt aus weitergehen würde. Überallhin, wenn sie es wollte, dem Dunkel entronnen. Genährt und besänftigt von dieser Aussicht blieb der Rabe einfach sitzen und guckte und schaute und ließ sich die Sonne aufs Gefieder brennen.
    Kurze Zeit später wurde er allerdings aufgeschreckt, als er unter all den Menschen eine Gestalt entdeckte, die ihn in Aufregung versetzte: Es war ein großer Mann mit einem langen roten Zopf und einem gestutzten roten Bart. Dieser Mann hatte sich im letzten Jahr von einem massigen Walross in einen stämmigen Riesen verwandelt. In der einfachen Kleidung, die König Nada in Feuersand zu tragen pflegte, über
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