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Quitt

Quitt

Titel: Quitt
Autoren: Theodor Fontane
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bis an den Fuß der Felspartie gekommen und tranken hier aus dem Quell (denn es war, trotz früher Stunde, schon heiß) und stiegen nun höher hinauf bis auf den Einknick, von dem aus der eigentliche Kegel anhob.
    Und nun hatte man die Stufe glücklich erreicht und schritt um den mäßig breiten Rand, den sie bildete, herum. Das erste, was man sah, war der Brotrest, den Lehnert auf ein paar Schritt Entfernung dem Hunde zugeworfen, den dieser aber nicht berührt hatte.
    »Hier müssen wir ihn finden«, sagte Toby, und das Zweigwerk eines ziemlich blattreichen, am Fuße des Kegels festeingewurzelten Gebüsches zurückschlagend, sah er
den
, dem die Suche galt. Unwillkürlich ließ er das Gezweig, das er in Händen hielt, wieder zurückfahren, und seine Augen füllten sich mit Tränen. Konnt es anders sein? Der da lag, war gestorben um
ihn
, um seinetwillen. Und er sprach ein kurzes Gebet, während die andern noch zurückstanden. Und nun näherte sich auch Shortarm und brach die weit vorgestreckten Zweige fort, und gleich nach ihm traten alle heran und schlossen einen Halbkreis und blickten auf den Toten. Er sah ernst aus, aber nicht von Schmerzen verzerrt oder entstellt, und hatte die Jagdtasche unter dem Kopf; – neben ihm lag das Gewehr, und ein kurzes Jagdmesser, das er noch in seiner letzten Stunde gebraucht haben mußte, war mit der Klinge in den Sand gestoßen. Sein Rock war halb geöffnet, und man sah ein zusammengefaltetes Zeitungsblatt, das er in die Rocköffnung wie in eine Brusttasche gesteckt hatte. Darüber ruhte seine linke Hand, auf deren Oberfläche man geronnenes Blut sah, aber nur wenig, wie von einem kleinen Riß mit dem Messer. Und nun bückte sich Toby, um das Zeitungsblatt zu nehmen, auf das der Tote, wie's schien, in seiner letzten Stunde seine letzten Worte geschrieben hatte. Zwischen den Fingern der rechten Hand hielt er noch ein zugespitztes Holzstäbchen. Was er aber geschrieben, das lautete: »Vater unser, der du bist im Himmel... Und vergib uns unsere Schuld... Und du, Sohn und Heiland, der du für uns gestorben bist, tritt ein für mich und rette mich... Und vergib uns unsere Schuld... Ich hoffe:
quitt

     
Sechsunddreißigstes Kapitel
     
    Der Rückweg war sehr beschwerlich, und die zehnte Stunde war schon heran, als man am Vorwerk anlangte. Toby war dagegen, den Zug gleich unmittelbar bis nach Nogat-Ehre hin fortzusetzen, und der sonst immer widersprechende Kaulbars war diesmal derselben Meinung, hinzusetzend: es ginge nicht, ihn so bloß auf einer Leiter heranzutragen; alles müsse seine Ordnung haben; und auf einer Leiter sei keine Art und keine Ordnung nich.
    So wurde denn beschlossen, Shortarm und Yellow Cat nach Nogat-Ehre hin vorauszuschicken, einfach mit der Meldung, daß man Lehnert gefunden habe.
    Nach diesem Beschlusse machten sich die beiden Indianer sofort auch auf den Weg und waren um Mittag wieder zurück, mit einer Bahre, darauf Lehnert nunmehr gelegt wurde, bedeckt mit einem ebenfalls mitgebrachten Bahrtuch, in das ein großes silbernes Kreuz eingestickt war. So stand er noch bis gegen Abend auf einer Scheunentenne. Dann aber brach man auf nach Nogat-Ehre. Wie Totto sie kommen sah, begann er zu läuten, aber nur Obadja ging dem Zuge bis auf die Rampe entgegen; mit ihm L'Hermite. Ruth und Maruschka mochten nicht Zeuge sein.
    Von der Rampe trug man die Bahre bis vor den Altar. Und nun schlug Totto die Decke zurück und kniete nieder und sagte, während er des Toten Hand streichelte: »Poor man... dead... quite dead.« Und dann sang er vor sich hin, was keiner verstand.
     
    »Wo bestatten wir ihn?« Das war die Frage, die denselben Abend noch das Haus beschäftigte. L'Hermite drang mit sonderbarem Ernste darauf, den Toten zu den Arapahos zu schaffen und ihn neben Gunpowder-Face zu begraben, das würde einen Eindruck machen, mehr als Krähbiels Schul- und Katechismusstunden, und er, L'Hermite, genösse dabei des Vorzugs, seine beiden besten Freunde zusammenzuhaben: eine Rothaut und einen Prussien. Es war barock, wie alles, was er tat und sagte, aber es klang so herzbeweglich, daß niemand Anstoß daran nahm. Endlich sagte Obadja: »Er soll der erste drüben in unserer Gruft sein. Ich wollte den Zug eröffnen. Aber er kommt mir nun zuvor.«
    Und dabei glitt sein Auge zu Ruth und Toby hinüber, die beide zustimmend nickten.
     
    Am zweiten Tage danach erfolgte Lehnerts Beisetzung; Krähbiel und Nickel waren mit ihren Schulen gekommen und sangen. Dann sprach Obadja, diesmal
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