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Quitt

Quitt

Titel: Quitt
Autoren: Theodor Fontane
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der ihm eignen Freundlichkeit gesagt hatte: »Was Tausend, Espe,
auch
hier? Wie geht es? Freue mich sehr« – Huldbeweise, zu denen sich bei Geraldine nach und nach die ganz richtige Betrachtung gesellt hatte, daß das Eheliche, bei maßvollen Ansprüchen, eigentlich angenehmer und besser als das »ewige Gehabe« sei, das, bei Lichte besehen, wenig Vergnügen und bloß viel Klatschereien einbringe. Sie lachte jetzt mitunter über die zurückliegenden Zeiten und sagte, wenn sie mit Espe, während Selma den Tee machte, eine Partie Besique oder Rabouge spielte: »Espe, du könntest mir wohl mal einen Kuß geben.« Das tat er denn auch und war glücklich über seine verbesserte Stellung, seine Frau und seine Kinder, die, beiläufig, seit sie groß und erwachsen waren, ihrem Namensgeber womöglich noch unähnlicher sahen als früher. Im übrigen hatte er, wie alle Leute, die mit vierzig schon fast wie Siebziger aussehen, nicht im geringsten gealtert und war beinah lebhafter und gesprächiger als früher. »Ach, da ist ja auch der Springbrunnen«, wandte er sich an die beiden Töchter. »Und da der Mittagsstein. Und da die Koppe. Sieh nur, Selma, wie scharf profiliert; welche Silhouette!«
    Die Mädchen kicherten, weil sie die Schwäche des Vaters kannten, auf Reisen und an öffentlichen Orten immer zu Fremdwörtern zu greifen, waren aber sonst, was die »Silhouette« betraf, ganz derselben Meinung und suchten ihrerseits nach den Teichrändern und ob man, bei dem klaren Wetter, vielleicht die Schneegruben und die Große Sturmhaube sehen könne.
    In dieser Weise setzte sich das Gespräch fort und ward erst unterbrochen, als Marie mit dem Tablett kam und die Couverts aufstellte, wie sich denken läßt, mit besonderer Artigkeit gegen die Rätin, deren dominierende Stellung ihr aus früherer Zeit her noch sehr wohl in Erinnerung war. Ebenso fand sie für die Fräuleins, die, weil beide sehr hübsch, seit lange schon ein Gegenstand hochfliegendster mütterlicher Pläne waren, die allerschmeichelhaftesten Worte. Marie verstand das.
    Espe selbst wurde bei diesem Tischgespräch nur gestreift, was darin seinen Grund hatte, daß er – sonst ein guter und freudiger Esser – heute das sich vorbereitende Frühstück eigentlich nur als eine Störung ansah und fortfuhr, mit seinem Opernglas an den Bergen entlang zu suchen. »Ah, da ist ja auch das Gehänge. Und da rechts, wenn mein Glas mich nicht täuscht, steht so was wie ein Denkmal; das muß ungefähr die Stelle sein, wo sie damals den Opitz gefunden haben. Sagen Sie, Marie, wie steht es denn damit? Ist es noch immer nicht heraus? War es der Menz (so hieß er ja wohl), oder war er's nicht?«
    »Ja, Herr Rat, er war es... Oder Herr Geheimer... Ich weiß nicht recht, aber ich habe gehört...«
    »Bitte, bitte, Marie.«
    »Nun denn, Herr Rat, der Lehnert Menz war es. Seit drei Tagen wissen wir es gewiß. Und Herr Exner hat auch eine Abschrift genommen.«
    »Eine Abschrift? Wovon?«
    »Von dem Brief, der hier ankam. Aus Amerika. Den Namen hab ich vergessen.«
    »Ei, da bin ich doch neugierig, Marie. Kann man den Brief nicht lesen?«
    »O gewiß, gewiß. Ich werd es in der Küche der jungen Frau Exner sagen und Ihnen den Brief bringen, das heißt die Abschrift. Es ist alles sehr rührend, und alle sind wieder
für
ihn und gegen Opitz, und die alte Frau Böhmer hat sogar geweint.«
     
    Eine Viertelstunde später waren Espes in alles eingeweiht. Der Geheimrat hatte klüglicherweise den Brief erst überflogen, weil man doch nicht wissen könne... dann aber alles vorgelesen, Zeile um Zeile, und war, was ihm nicht leicht passierte, wenigstens vorübergehend, in eine nicht geringe Bewegung geraten, von der er sich erst, als er den Brief an Marie zurückgab, durch die Bemerkung frei zu machen suchte: »Ich sehe hier Namen und nehme an, daß es eine vidimierte Abschrift ist.«
    Diesmal kicherten die Mädchen nicht und waren vielmehr ganz bei Lehnert und Ruth.
    »Ruth«, sagte Selma zu Frida. »Welch hübscher Name!«
    »Ja. Und wie geschaffen für eine Liebesgeschichte. Hättest du ihn nehmen mögen, Selma?«
    »Gewiß hätt ich. Und noch dazu drüben in Amerika, wo man nicht das Aussuchen hat. Aber wenn auch, wer sich für einen Freund opfert, opfert sich auch für eine Braut, und darauf kommt es an. Er muß ganz ungemein schneidig gewesen sein.«
    Espe, der das plötzlich in ihm lebendig gewordene Mitleid längst wieder den Forderungen staatlich-gesellschaftlicher Sicherheit untergeordnet
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