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Qual (German Edition)

Qual (German Edition)

Titel: Qual (German Edition)
Autoren: Stephen King , Richard Bachman
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schaute er im Frühling zum Himmel auf und sah einen Vogel, und das machte ihn glücklich, aber mindestens genauso oft fühlte es sich an, als würde irgendwas in ihm drin ganz klein werden und könnte jeden Moment zerbrechen.
    Ist nicht gut, wenn ich mich so fühle, dachte er dann, und wenn doch, dann sollte ich mir lieber keine Vögel ansehen. Aber manchmal schaute er trotzdem zum Himmel auf.
    Boston war schon in Ordnung, aber manchmal bekam er doch noch Angst. Es gab eine Million Menschen in der Stadt, vielleicht sogar mehr, und kein einziger interessierte sich auch nur einen Furz für Clay Blaisdell. Falls ihn überhaupt jemand anschaute, dann nur, weil er groß und kräftig war und eine Delle in der Stirn hatte. Manchmal hatte er ein bisschen Spaß, andere Male verspürte er einfach nur Angst. Er versuchte gerade mal wieder, sich in Boston zu amüsieren, als er George Rackley begegnete. Nachdem er George kennengelernt hatte, war es besser.

5
    DER KLEINE TANTE-EMMA-LADEN hieß Tim & Janet’s Quik-Pik. Die meisten von den hinteren Regalen waren zum Bersten gefüllt mit in Pappkartons gestapelten Wein- und Bierflaschen. Eine riesige Kühltheke erstreckte sich über die gesamte Länge der rückwärtigen Wand. Zwei der vier Gänge waren für Knabberzeug reserviert. Neben der Kasse stand ein großes Glas mit eingelegten Eiern, es war beinahe so groß wie ein Kleinkind. Tim & Janet’s führte außerdem solche grundlegenden Artikel des täglichen Bedarfs wie Zigaretten, Binden, Hotdogs und Pornohefte.
    Der Abendverkäufer war ein pickliger Kerl, der tagsüber die Außenstelle der University of Maine in Portland besuchte. Sein Name war Harry Nason, und er studierte im Hauptfach Viehzucht. Als der kräftige Mann mit der eingebeulten Stirn um zehn vor eins hereinkam, las Nason gerade ein Buch aus dem Paperback-Ständer. Es hieß Groß und hart . Der spätabendliche Andrang war vorbei, und es kamen nur noch vereinzelt Kunden. Nason beschloss, den Laden zu schließen und nach Hause zu gehen, sobald der kräftige Bursche seine Flasche oder sein Sechserpack gekauft hatte. Vielleicht würde er das Buch mitnehmen und sich bei der Lektüre einen von der Palme wedeln. Er überlegte gerade, dass die Stelle über den Wanderprediger und die zwei geilen Witwen
dafür genau das Richtige wäre, als der kräftige Bursche ihm eine Pistole unter die Nase hielt und sagte: »Mach die Kasse leer.«
    Nason ließ das Buch fallen. Jeder Gedanke ans Wichsen verschwand aus seinem Kopf. Er glotzte die Kanone an. Er machte den Mund auf, um irgendwas Intelligentes zu sagen. So was, wie’s im Fernsehen ein Typ sagen würde, der gerade überfallen wurde, sofern der Überfallene zufälligerweise der Held des Films war. Was dann aber rauskam, war nicht mehr als ein »Aaaa«.
    »Mach die Kasse leer«, wiederholte der kräftige Bursche. Die Delle in seiner Stirn war furchterregend. Schien tief genug für einen Froschteich.
    Harry Nason erinnerte sich – irgendwie erstarrt –, welche Verhaltensregeln sein Boss ihm eingetrichtert hatte, falls er überfallen werden sollte: keine großen Diskussionen mit dem Räuber. Gib ihm alles, was er haben will. Sein Boss war gut versichert. Nasons Körper fühlte sich mit einem Mal zart und verletzlich an, voller Öffnungen und Flüssigkeiten. Seine Blase entleerte sich, und er spürte, dass er sich jeden Moment in die Hosen scheißen würde.
    »Mann, hast du mich nicht verstanden?«
    »Aaaa«, bestätigte Harry Nason und drückte die KEIN-VERKAUF-Taste der Kasse.
    »Steck das Geld in eine Tüte.«
    »Okay. Ja. Klar.« Er fummelte an den Tüten unter der Theke herum und warf dabei die Hälfte auf den Boden. Schließlich bekam er eine zu fassen. Er klappte die Scheinklammer in der Geldschublade hoch und begann, das Geld in die Tüte zu stopfen.
    Die Tür ging auf, und ein Typ und ein Mädchen, wahrscheinlich College-Kids, kamen hereinspaziert. Sie sahen die Kanone und blieben stehen. »Was soll das hier sein?«, fragte der Typ. Er rauchte ein Zigarillo und trug einen Button mit der Aufschrift POT ROCKT.
    »Es ist ein Überfall«, sagte Nason. »Bitte, äh, verärgern Sie den Gentleman hier nicht.«
    »Abgefahren«, sagte der Typ mit dem POT ROCKT-Button. Ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Er deutete auf Nason. Sein Fingernagel war schmutzig. »Der Typ nimmt dich aus, Mann.«
    Der Bewaffnete drehte sich zu POT ROCKT um. »Brieftasche«, sagte er.
    »Ey Mann«, sagte POT ROCKT, ohne sein Grinsen zu
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