Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Puppentod

Titel: Puppentod
Autoren: Katharina Winter
Vom Netzwerk:
Lawine bewegte sich auf ihn zu, die er nicht aufhalten, der er nicht entfliehen konnte und die seine Zukunftsträume gnadenlos unter sich begraben würde.
    Um die düsteren Gedanken aus seinem Kopf zu vertreiben, sprang er mit einem Satz aus dem Bett. Er wollte sich nicht länger mit solchen negativen Dingen beschäftigen.
    Er ging zum Kleiderschrank, legte seine Sachen für den Tag bereit und machte, wie jeden Morgen, das Handy an. Er gab den PIN-Code ein und legte es auf den Schreibtisch. Kurz darauf ertönte das SMS-Signal - dieser laute, helle Gong, der anzeigte, dass es eine neue Nachricht gab. Dann ertönte er noch ein zweites Mal, und wieder und wieder … das Telefon überschlug sich fast. Erstaunt
nahm Michael es zur Hand, während Lisa erschrocken aus dem Bad kam.
    »Was ist los?«, fragte sie.
    Er sah auf das Display und stellte verwundert fest: »Es sind fünfunddreißig neue Nachrichten auf dem Handy, und alle sind in dieser Nacht gekommen.«
    »Von wem?«, wollte sie wissen.
    »Von Martin Schuster«, sagte er entgeistert und konnte kaum glauben, was er sah. Die Nachrichten waren alle gleich, sie waren nur zu unterschiedlichen Zeitpunkten verschickt worden. Und lauteten: Hilfe, FG - MS.

8
    »Machen Sie auf, Frau Berger. Bitte machen Sie auf!«, rief Lisa und hämmerte gegen die Tür des weißen Einfamilienhauses. Sie wusste, dass Ilona Berger zu Hause war. Sie hatte gesehen, wie sie ihre Tochter in den Schulbus gesetzt und danach ins Haus zurückgegangen war.
    »Öffnen Sie, Frau Berger. Wir müssen miteinander sprechen!« Sie trommelte weiter an die Tür, denn sie war wütend. Sie hatte schon so oft versucht, mit dieser Frau zu reden, und wurde jedes Mal wieder abgewiesen. Ilona Berger verschanzte sich in ihrem schönen Haus und glaubte, der Vergangenheit entfliehen zu können. Doch das würde ihr nicht gelingen.
    »Bitte öffnen Sie die Tür, Frau Berger. Bitte machen Sie auf«, rief Lisa.

    Aus dem Haus aber kam keine Reaktion. Dabei war Lisa sicher, dass Ilona Berger hinter der Tür stand. Das konnte sie spüren. So wie sie spürte, dass diese Frau mit sich kämpfte. Sie war nicht die starke Frau, die sich eiskalt über die Geschehnisse hinwegsetzte, das hatte Lisa in ihren Augen gesehen. Sie war jemand, der sich Tag für Tag quälte, seit zehn Jahren, der zerbrochen war an den Ereignissen einer einzigen Nacht.
    »Sie müssen mit mir reden«, flehte Lisa sie an. »Bitte geben Sie mir eine Chance!«
    Keine Reaktion. Im Haus blieb es still. Lisas Wut wich allmählich einer leisen Verzweiflung. Aber sie durfte jetzt nicht weggehen, denn wieder war ein Mensch in Lebensgefahr. Sie durfte nicht zulassen, dass alles von Neuem begann. Deshalb musste sie hier stehen bleiben und Ilona Bergers Willen brechen. Den Willen, die schlimmsten Stunden ihres Lebens zu vergessen, so als hätte es diese Nacht nie gegeben.
    »Sie sind die Einzige, die mir helfen kann«, rief Lisa der Frau zu, die sie noch immer hinter der verschlossenen Tür vermutete. »Die Geschichte wiederholt sich, und das dürfen Sie nicht zulassen. Wissen Sie, warum Michael Westphal bei Ihnen war? Weil wieder ein Chemiker bei MediCare verschwunden ist, der Licht in das Dunkel bringen wollte. Doch ohne Sie wird das nicht gelingen. Sie müssen mir helfen. Ich flehe Sie an, mit mir zu sprechen, Frau Berger. Nur ein einziges Mal, bitte, nur ein einziges Mal …« Sie nahm sich vor, mit dem Reden nicht mehr aufzuhören. Sie würde weiterreden, stundenlang, wenn es sein musste, und so lange
hier stehen bleiben, bis Ilona Berger bereit war, sie anzuhören.
    Sie setzte erneut zum Sprechen an, um von Martin Schusters Hilferuf per SMS zu erzählen, als auf einmal die Tür geöffnet wurde, langsam und zaghaft, und Ilona Berger mit tränenüberströmtem Gesicht vor ihr stand. Schweigend blickten sie sich in die Augen, minutenlang, bis Ilona Berger leise sagte: »Bitte kommen Sie herein.«

9
    Mit einer Flasche Rotwein saß Michael auf dem Sofa vor dem Kamin und starrte in die Flammen. Im Augenblick fühlte er sich verlassen und allein - und er war es auch. Seine Mutter wohnte jetzt bei ihrer Freundin Renate, sein Vater war nicht zu Hause, und auch von Lisa gab es kein Lebenszeichen. Den ganzen Tag war sie auf ihrem Handy nicht erreichbar gewesen. Frustriert trank er weiter und hatte die Flasche mit dem edlen Bordeaux fast geleert, als sie endlich kam.
    »Hast du Kummer?«, fragte sie und setzte sich neben ihn.
    Er nickte.
    »Ich war heute bei der Polizei«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher