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Pulverfass Iran

Pulverfass Iran

Titel: Pulverfass Iran
Autoren: Kamran Safiarian
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erlangen zu wollen, um bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr eine Mehrheit für das eigene Lager zu gewährleisten. Denn das Ministerium ist dafür zuständig, das Umfeld von potenziellen Kandidaten zu überprüfen. Als Warnung wurden bereits einige Männer in der Entourage Ahmadinedschads verhaftet. Konservative Abgeordnete drohten dem Präsidenten bereits mit einer Amtsenthebung. Experten wagen keine Voraussage, wie der Machtkampf zwischen den Lagern enden könnte. Sie halten es für möglich, dass die Proteste in der arabischen Welt, beispielsweise in Ägypten oder Tunesien, auch Auswirkungen auf Iran gehabt haben könnten. Chamenei sehe sich gezwungen, dem Präsidenten zu trotzen, um seine eigene Macht und das System zu schützen. In jedem Fall ist die Führungsriege besorgt, dass es erneut zu Unruhen wie nach der Wiederwahl Ahmadinedschads im Jahr 2009 kommen könnte.
    Die Nervosität in der iranischen Führungselite wächst, denn im März 2012 stehen Parlamentswahlen an, im Mai 2013 wird der Nachfolger von Mahmud Ahmadinedschad gewählt, der selber nicht mehr antreten darf. Und so beginnen beide Seiten schon jetzt mit dem politischen Stellungskrieg, um ihre Bewerber in eine möglichst gute Startposition zu bringen. Es wird von entscheidender Bedeutung für die Zukunft der Islamischen Republik sein, wie der Machtkampf ausgehen wird. Entscheidend wird auch sein, auf welche Seite sich die Revolutionsgarden, die einen enormen Einfluss haben und praktisch das gesamte Land kontrollieren, schlagen werden.

|44| 3 Ein zerrissenes Land
    Sex und Partys und Protest
    Die Jugend im Iran will nach über drei Jahrzehnten Islamischer Republik endlich selbstbestimmt und frei leben und sich frei entfalten können. Dazu gehört westliche Musik, Sex vor der Ehe, Party machen, Skifahren in den nahen Bergen von Teheran oder der obligatorische Gang zum Schönheitschirurgen – die elitäre Jugend Irans schert sich dabei wenig um die strengen Vorschriften im Gottesstaat. Sie will das Leben in vollen Zügen genießen und sucht jede kleine Nische, um vom religiösen Regime abschalten zu können. Der Spagat zwischen Tradition und Moderne könnte nicht größer sein. Dabei spielen im öffentlichen Leben, auf den Straßen und in den Cafés die Blicke, die unausgesprochenen Worte und schon der bloße Gedanke an die verbotene Sexualität eine große Rolle. Und so spürt man, wenn man durch die Straßen Teherans fährt, förmlich die Spannung, die in der Luft liegt. Die Jugend, die inzwischen über 60 Prozent der Bevölkerung ausmacht, ist getrieben von der Sehnsucht nach Liebe, von Verlangen und Begierde. „Teheran ist eine Stadt voller heimlicher Sehnsüchte, voller handgreiflicher Anmache und anzüglicher Blicke“, beschreibt die ehemalige Korrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Christiane Hoffmann, ihre Beobachtungen im Iran. Getreu dem Gesetz „wenn etwas verboten ist, macht man es erst recht“, ist die verbotene Sexualität und Begierde überall auf der Straße, in den modernen Shoppingmalls und Einkaufspassagen der Stadt, auf den vielen Partys oder während der abendlichen Besuche, den sogenannten „Mehmanis“, greifbar. Schon das Kennenlernen und Verabreden ist eine höchst geschickte Kunst, die sich im Laufe der Jahre bei vielen Iranern perfektioniert hat. Denn das Flirten ist im strengen Gottesstaat eine Kunst und |45| muss durch die ständige Präsenz der Sittenwächter in der Öffentlichkeit unauffällig stattfinden. Und das geht so: Man fährt mit dem Auto in der Stadt herum, fährt aneinander vorbei, überholt sich gegenseitig ein paar Mal und checkt die Insassen der anderen Fahrzeuge ab. Bei gegenseitigem Gefallen fährt man nebeneinander her, kurbelt die Scheibe herunter und tauscht Handynummern aus. Dann verabredet man sich zu einem privaten Treffen zu Hause. So ähnlich geschieht das auch in den Teheraner Parks wie dem Park-e-Mellat, dem Volkspark. Hier treffen sich junge Verliebte, um zu reden, sich zu vergnügen oder gar versteckte Zärtlichkeiten auszutauschen. Es ist so etwas wie der Fluch der Liebe, diese unausgesprochene und starke Spannung, die einer Rebellion gegen das vom islamischen Regime ausgesprochene Verbot der Liebe gleichkommt. „Enghelabe-Dschensi“ – sexuelle Revolution heißt im Volksmund das, was die „jungen Wilden“ der offiziellen Revolutionspropaganda entgegnen. 18 Los geht es mit der „sexuellen Revolution“ donnerstagabends, wenn für die „Jungen Wilden“ Partytime
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