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Pulverfass Iran

Pulverfass Iran

Titel: Pulverfass Iran
Autoren: Kamran Safiarian
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auf den Straßen Teherans immer mehr Frauen, die übertrieben |50| geschminkt und frisiert sind. Es ist der Drang nach Widerstand und Freiheit, der bei vielen Jugendlichen sogar bewirkt, dass sie mit ihrer Schönheit nicht zufrieden sind und sich einer Schönheitsoperation unterziehen. Eine Schönheitsoperation gilt im Land der Mullahs als modern und westlich. Als wir die junge Iranerin Mariam in einen Schönheitssalon begleiten, erfahren wir, dass auch sie sich einer Schönheitsoperation unterziehen möchte. Auch andere junge Frauen erzählen uns, dass der Schleier (Tschador) ihnen nur wenig Raum lässt, ihre wahre Schönheit und Persönlichkeit zu zeigen. Der kleine Ausschnitt des Gesichts, den der Tschador zulässt, bleibt das Einzige, was zu sehen ist und daher wollen viele, dass ihr Gesicht perfekt aussieht. Die Jugendlichen lassen zu unserem Erstaunen alles operieren, was sie glauben, korrigieren zu müssen, auch wenn es eigentlich nicht mehr schöner zu machen ist. Während im Westen der Schönheitswahn und die plastische Chirurgie umstritten sind, bedeuten sie im Gottesstaat Iran für viele eine Flucht aus dem Alltag und somit eine kleine Nische der Freiheit. Und so boomen die Schönheitsoperationen seit Jahren. Inzwischen sind Beautysalons überlaufen und Diäten und Schönheitsoperationen gelten im Land der Mullahs als hipp und schick. Man ist fast geneigt zu sagen, dass die plastische Chirurgie im Iran zum Alltag gehört. Die Straßen und die Coffee-Shops von Teheran sind voll von Frauen, die als Statussymbol ein Pflaster auf der Nase tragen, aber auch von Männern, die sich ihre Wangenknochen operieren oder ihr Kinn korrigieren lassen. Nach einer Operation tragen Mädchen, Jungen, Frauen und Männer ihre Verbände und Pflaster zur Schau. Auch Jugendliche, die sich eine Operation nicht leisten können oder aber eine hübsche Nase haben, wollen mitreden können: Sie kleben sich ein paar Pflaster auf die richtigen Stellen und tun so, als seien sie operiert worden. Da viele Iraner eine große Nase oder die berühmte „Höckernase“ haben, ist sie das Objekt der häufigsten Schönheitsoperation. Ebenfalls sehr beliebt ist die Lippenvergrößerung, das |51| Höherlegen der Wangenknochen und die Brustvergrößerung. Häufig wird auch Fett abgesaugt. Da Schönheitsoperationen kostspielig sind, hat schon so mancher Vater sein Auto verkauft, um der Tochter eine „Katalognase“ zu ermöglichen. In Teherans reichem Norden lassen sich diese Träume verwirklichen. Die berühmte Valiasr-Straße ist das Mekka der Schönheitschirurgie. Es gibt hier dutzende Beauty-Kliniken, so wie in Europa oder Amerika. Dr. Fatahi ist einer der Schönheitsgurus von Teheran. Bis zu 40 Patienten täglich suchen seine Praxis auf. Eine Operation kostet knapp 1000 bis 2000 Euro. Das ist mehr als das Jahresgehalt eines normalen Arbeiters. Mariams Mutter erzählt uns, dass sie jahrelang für den Traum ihrer Tochter gespart hat. Mariam ist jung, sie hat schöne große Augen und es gibt eigentlich keinen objektiven Grund, so denken wir, dass sie sich einer Operation unterzieht. „Meine Nase ist zu groß“, entgegnet sie zu unserer großen Überraschung. „Ich will so eine Nase“, und dann zeigt sie uns ein iranisches Magazin, in dem Hollywood-Schönheiten mit ihren kleinen, eher spitzen Nasen zu sehen sind. Wir begleiten sie zum Schönheitschirurgen Dr. Fatahi, der das Handwerk der plastischen Chirurgie an der Front im acht Jahre andauernden Iran-Irak-Krieg gelernt hat. Viele Schönheitschirurgen hatten während des Golfkriegs hinreichend Gelegenheit, ihr Handwerk an Soldaten zu üben. „Dort mussten wir zerschossene und zerbombte Gesichter zusammenflicken. Dagegen ist das hier eher Routine“, sagt Dr. Fatahi. In der Tat muss ein Arzt, der acht Jahre lang täglich versucht hat, aus ein paar Fleischfetzen und zersplitterten Knochen ein Gesicht zu rekonstruieren, eine normale Schönheitsoperation als Kinderspiel empfinden. Mariams Nase ist für Dr. Fatahi, der bis zu einem Dutzend plastische Eingriffe am Tag bewältigt, ein ganz normaler Eingriff. Zunächst muss Mariam eine Untersuchung über sich ergehen lassen, dann werden noch ein paar Fotos gemacht. Eine halbe Stunde später kann sie ihre neue Nase bereits in der Computeranimation begutachten. „Selbst der |52| Koran sagt: Gott ist schön und mag die Schönen. Wir erleben heutzutage im Iran einen regelrechten Boom, was Schönheitsoperationen betrifft“, sagt uns Dr. Fatahi. Im
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