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Puls

Puls

Titel: Puls
Autoren: Stephen King
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großzügigen Spender in der Mitte, der anscheinend für alle zahlte. Während der einen Wust von Dollarscheinen aus seiner modischen Baggy-Jeans angelte, griff die Pudelbesitzerin im Poweranzug in ihre Umhängetasche, holte ihr Handy heraus - Frauen in Poweranzügen gingen ebenso wenig ohne ihre Handys aus dem Haus wie ohne ihre Kreditkarten - und klappte es auf. Hinter ihnen im Park kläffte ein Hund, und irgendwer stieß einen Schrei aus. In Clays Ohren war das kein fröhlicher Schrei, aber als er sich umsah, konnte er nur einige Spaziergänger, einen Hund, der mit einer Frisbeescheibe in der Schnauze dahintrottete (herrscht dort drinnen nicht Leinenzwang?, fragte er sich), und weite Flächen von sonnigem Grün und einladendem Schatten sehen. Bestimmt ein guter Ort, an dem ein Mensch, der gerade seine erste Graphic Novel verkauft hatte - und die Fortsetzung, beides zudem für erstaunlich viel Geld -, sich hinsetzen und ein Schokoladeneis essen konnte.
    Als er sich wieder umsah, waren die drei Jungen in den Baggy-Jeans fort, und die Frau im Poweranzug bestellte einen Eisbecher. Eines der beiden Mädchen hinter ihr trug ein minzegrünes Handy mit Klipphalterung an der Hüfte, und Power Suit Woman hatte ihres fest ins Ohr geschraubt. Clay dachte, wie er das auf irgendeiner Bewusstseinsebene fast immer tat, wenn er Variationen dieses Benehmens sah, dass er Zeuge wurde, wie ein Benehmen, das früher als grob unhöflich gegolten hätte - ja, selbst während man ein Geschäft mit einem völlig Unbekannten abschloss -, doch allmählich zu einem Teil des allgemein akzeptierten Verhaltenskodex wurde.
    Lass es in Dark Wanderer einfließen, Schatz, sagte Sharon. Die Version von ihr, die er im Kopf behielt, sprach oft und äußerte zu allem ihre Meinung. Das traf auch auf die reale Sharon zu, Trennung hin oder her. Allerdings nicht übers Handy. Clay besaß keines.
    Das minzegrüne Telefon spielte den Anfang jenes Songs von Crazy Frog, den Johnny so liebte - hieß er nicht »Axel F«? Clay konnte sich nicht genau daran erinnern, vielleicht weil er ihn bewusst ausgeblendet hatte. Das Mädchen, dem das Handy gehörte, riss es von der Hüfte und sagte: »Beth?« Sie hörte zu, lächelte, dann sagte sie zu ihrer Begleiterin: »Das ist Beth.« Nun beugte sich das andere Mädchen nach vorn, und sie hörten beide zu, während beinahe identische Pixiefrisuren (Clay erschienen sie fast wie Zeichentrickfiguren aus dem Vormittagsprogramm am Samstag, vielleicht die Powerpuff Girls) von der Nachmittagsbrise aufgeplustert wurden.
    »Maddy?«, sagte die Frau im Poweranzug fast genau gleichzeitig. Ihr Pudel saß jetzt sinnend am Ende der Leine (die Leine war rot und mit Glitzerzeug bestäubt) und beobachtete den Verkehr auf der Boylston Street. Auf der anderen Straßenseite, vor dem Four Seasons, winkte ein Portier in brauner Livree - diese Anzüge schienen immer braun oder blau zu sein -, vermutlich nach einem Taxi. Ein mit Touristen voll besetztes Amphibienfahrzeug von Duck Tours, das auf dem Trockenen irgendwie deplatziert wirkte, rauschte vorbei, während der Fahrer über Lautsprecher über irgendetwas Historisches schwatzte. Die beiden Mädchen, die dem minzegrünen Telefon zuhörten, wechselten einen Blick und lächelten über etwas, das sie hörten, kicherten aber noch immer nicht.
    »Maddy? Kannst du mich hören? Kannst du ... «
    Die Frau in dem Poweranzug hob die Hand, in der sie die Hundeleine hielt, und bohrte einen Finger mit langem Nagel in ihr freies Ohr. Clay, der um ihr Trommelfell fürchtete, zuckte leicht zusammen. Er stellte sich vor, wie er sie zeichnen würde: der Hund an der Leine, der Poweranzug, die modische Kurzhaarfrisur ... und ein dünner Blutfaden aus dem Ohr, in dem ihr Finger steckte. Das Duck Boat, das eben am Bildrand verschwand, und der Portier im Hintergrund, die beide die Zeichnung irgendwie realistischer erscheinen lassen würden. Das würden sie; das gehörte zu den Dingen, die man einfach wusste.
    »Maddy, du kommst unterbrochen an! Ich wollte dir bloß erzählen, dass ich mir die Haare bei diesem neuen . meine Haare? ... MEINE ...«
    Der Kerl in dem Mister-Softee-Wagen beugte sich hinunter und hielt ihr den Eisbecher hin. Daraus erhob sich ein weißer Berg, an dessen Flanken Ströme von Schokoladen- und Erdbeersoße herabliefen. Sein stoppelbärtiges Gesicht war ausdruckslos. Es sagte, er habe alles schon mal gesehen. Davon war Clay überzeugt - das meiste vermutlich zweimal. Im Park kreischte
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