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Puls

Puls

Titel: Puls
Autoren: Stephen King
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donnerte mit Höchstgeschwindigkeit heran und schlingerte dabei wie verrückt von Backbord nach Steuerbord. Einige der Fahrgäste purzelten durcheinander und brüllten den Fahrer an - flehten ihn an -, er solle anhalten. Andere klammerten sich einfach an die senkrechten Metallstreben an den offenen Seiten des Ungetüms, als es entgegen der allgemeinen Fahrtrichtung die Boylston Street hinaufraste.
    Ein Mann in einem Sweatshirt packte den Fahrer von hinten, und Clay hörte aus dem primitiven Lautsprechersystem des Duck Boats einen weiteren dieser unartikulierten Laute kommen, als der Fahrer den Kerl mit einem gewaltigen Schulterzucken nach hinten abschüttelte. Dieses Mal jedoch nicht »Räst!«, sondern ein kehligerer Laut, der irgendwie nach »Gluh!« klang. Dann sah der Fahrer des Duck Boats den Mister-Softee-Wagen - dessen war Clay sich sicher - und änderte seinen Kurs, um darauf zuzuhalten.
    »O Gott, bitte nicht!«, rief eine Frau, die in dem Touristenfahrzeug fast ganz vorn saß, und als es auf den bimmelnden Mister-Softee-Wagen zuraste, der ungefähr ein Sechstel seiner Größe hatte, erinnerte Clay sich deutlich daran, wie er sich in jenem Jahr, in dem die Red Sox die World Series gewannen, die Siegesparade im Fernsehen angesehen hatte. Das Team war mit einer langsamen Prozession genau solcher Duck Boats gefahren und hatte der frenetisch jubelnden Menge zugewinkt, während kalter herbstlicher Nieselregen gefallen war.
    »Gott, bitte nicht!«, kreischte die Frau wieder, und irgendwo neben Clay sagte ein Mann fast sanft: »Jesus Christus.«
    Das Duck Boat rammte den Eiswagen mittschiffs und kippte ihn wie ein Kinderspielzeug um. Während sein Lautsprechersystem weiter die Erkennungsmelodie von Sesamstraße bimmelte, landete er auf der Seite und rutschte in Richtung Stadtpark zurück, wobei er einen Schauer von Reibungsfunken erzeugte. Zwei Frauen, die zugesehen hatten, huschten, sich an den Händen haltend, beiseite und schafften es gerade noch auszuweichen. Der Mister-Softee-Wagen prallte gegen den Randstein, flog ein kurzes Stück durch die Luft, knallte dann an den gusseisernen Zaun, der den Park umgab, und blieb liegen. Die Musik hickste zweimal, dann verstummte sie.
    Der Verrückte, der das Duck Boat fuhr, hatte inzwischen auch den letzten Rest von Kontrolle, die er möglicherweise über sein Fahrzeug besessen hatte, eingebüßt. Es schlingerte mit seiner Fracht aus verängstigten, kreischenden Fahrgästen, die sich an die offenen Seiten klammerten, über die Boylston Street zurück, holperte auf der anderen Straßenseite etwa fünfzig Meter unterhalb der Stelle, wo der Mister-Softee-Wagen sein letztes Bimmeln von sich gegeben hatte, über den Gehsteig und rammte die niedrige Böschungsmauer unter dem Schaufenster eines todschicken Möbelgeschäfts namens Citylights. Mit einem gewaltigen unmusikalischen Klirren zersplitterte die Scheibe. Das breite Heck des Duck Boats (auf dem in rosa Schrift Harbor Mistress stand) stieg ungefähr eineinhalb Meter hoch. Die Bewegungsenergie wollte, dass das große watschelnde Ding sich überschlug; seine Masse ließ es jedoch nicht zu. Während die Schnauze zwischen den durcheinander geworfenen Sofas und teuren Sesseln stecken blieb, plumpste es wieder auf den Gehsteig zurück, aber nicht bevor mindestens ein Dutzend Menschen nach vorn geschossen waren - aus dem Duck Boat und außer Sicht.
    Im Citylights schrillte eine Alarmanlage.
    »Jesus Christus«, sagte die sanfte Stimme zu Clays Rechter zum zweiten Mal. Er wandte sich in diese Richtung und sah einen kleinen Mann mit schütterem schwarzem Haar, einem winzigen dunklen Schnurrbart und goldgeränderter Brille. »Was geht hier vor?«
    »Keine Ahnung«, sagte Clay. Das Reden fiel ihm schwer. Sehr. Er stellte fest, dass er die Worte fast hervorstoßen musste. Vermutlich stand er unter Schock. Auf der anderen Straßenseite rannten Leute weg, manche aus dem Four Seasons, manche aus dem verunglückten Duck Boat. Während Clay zusah, prallte ein Duck-Boat-Flüchtling mit einem Four-Seasons-Entflohenen zusammen, und beide schlugen auf dem Gehsteig lang hin. Er hatte noch Zeit, sich zu fragen, ob er übergeschnappt war, ob das alles nur Halluzinationen waren, die er in irgendeinem Irrenhaus hatte. Vielleicht zwischen Chlorpromazin-Injektionen im Juniper Hill in Augusta. »Der Kerl im Eiswagen hat auf Terroristen getippt.«
    »Ich sehe niemanden mit Schusswaffen«, sagte der kleine Mann mit dem Schnurrbart. »Auch keine Typen,
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