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Puck

Puck

Titel: Puck
Autoren: Hans G. Bentz
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du ruhig schwach werden, er hat uns Puck geschenkt.«
    Aus der Hocke setzte sie sich hin, platt auf den Boden: »Aber du weißt doch — wir können doch nicht — wir haben uns doch eigens entschlossen...«
    »Mitnehmen kann er ihn nicht, und zu Fremden soll er nicht. Wenn wir ihn nicht nehmen, läßt er ihn einschläfern.«
    »Einschläfern!« Sie starrte mich entgeistert an. Dann riß sie den Hund an sich und hakte gleichzeitig seine Leine los. Puck zauderte verwirrt. Dann zog es ihn dorthin, von wo ihm ein angenehmer Essensgeruch entgegenquoll, in die Küche. Dort stand eine rothaarige, rundliche Frau, die Köchin Dora, die bei seinem Anblick in Begeisterung ausbrach, zumal als sie erfuhr, daß er bei uns bleiben sollte. Er wurde von ihren Händen gestreichelt und geklopft. Es waren gute Hände.
    »Geben Sie ihm gleich was zu fressen«, sagte das Frauchen. »Ich werde sehen, daß ich ein Körbchen für ihn bekomme.«

    Puck aber verweigerte das Fressen. Drei Tage lang klagte er um sein Herrchen, und wir achteten seinen großen Schmerz. Er mied unsere Nähe nicht, wohl, weil er fühlte, daß seine Zukunft bei uns lag. Aber er spielte nicht auf der Straße, zerrte wieder in die Wohnung zurück, kaum daß er das Notwendigste erledigt hatte, und immer wollte er dann hinauf in den vierten Stock, wo sein Herrchen wohnte. Ich konnte ihm gar keinen vierten Stock bieten, weil es den in unserem Hause nicht gab. So ließ ich ihn denn ein paarmal nach oben bis zur Bodentür laufen. Dort stand er und schnupperte. Die Tür blieb geschlossen, und es roch gar nicht nach Herrchen. Er setzte sich hin, die Hinterbeine knickten ihm unter den Leib weg, als sei eine schwere Last auf ihn gefallen. Mit einer unheimlich menschenähnlichen Gebärde wandte er mir den Kopf zu und sah mich ratlos an: Kannst du mir das erklären?
    Ein leises Geräusch hinter der Tür, Gott weiß, was es gewesen war, ein rutschendes Möbelstück, eine Ratte. Aber sofort war er hoch, den Kopf ganz schief, das Schwänzchen wedelte in freudiger Erregung. Dann wurde das Wedeln langsamer, das Geräusch war verstummt. Nun war er wieder ganz ratlos. »Na, komm, mein Junge«, sagte ich, »hat keinen Zweck. Herrchen ist weg — für immer. Sieh dir lieber dein Fressen unten an.« Er sah es sich an, pflichtschuldig und geduldig, aber er nahm es nicht. Entschuldigend reichte er Frauchen, Dora und mir die Pfote.
    Das Schlimmste aber waren die Nächte. Drei Nächte lang tönte sein schauriges Wolfsgeheul, seine Abschiedsklage. Wir bekamen Beschwerden aus der Nachbarschaft, aber die heilige Unverfrorenheit fanatischer Eltern ließ uns den Zorn der Nachbarn verachten. Um Pucks willen, um dieses gepeinigten, einsamen und ganz und gar ratlosen Herzens willen, das da seinen Jammer hinausschrie, stand ich jede Nacht auf. Der Lichtschalter im Bad knackte. Dort saß er, aufgerichtet in dem großen Pappkarton, der ihm als provisorische Lagerstatt diente, die Beine weit von sich gestreckt, wüst und schluchzend. Ich hob ihn auf und trug ihn zu mir. Erst kam er ans Fußende, dann kroch er zwischen die Betten, wanderte mal unter meine, mal unter Frauchens Decke, und schließlich, gegen Morgen, wenn Dora die Jalousien hochzog und für uns der Tag begann, ein unausgeschlafener, von vornherein zerknitterter Tag, fing er vor Erschöpfung an einzuschlafen.
    Endlich, am vierten Tag, während wir übernächtigt beim Frühstück saßen und mir zum zweitenmal das Buttermesser auf die Hose gefallen war, hörten wir draußen in der Küche den Emaillenapf klappern, ein Geräusch, das wir normalerweise niemals aus den übrigen Küchentönen herausgehört hätten, das wir aber sofort wahrnahmen, weil wir all die Tage darauf gelauert hatten. Wir sprangen auf, und mir fiel das Buttermesser zum drittenmal auf die Hose. Ich gab ihm einen Tritt, daß es unter den Tisch flog, und dann schlichen wir vorsichtig wie die Indianer hinaus. Draußen empfing uns Dora, zur Statue erstarrt, den Finger auf den Mund gelegt, die andere Hand auf den Busen gepreßt: »Vorsicht! Er frißt!« Es hätte keiner Vorsicht bedurft, denn Puck fraß mit dem gesunden Hunger dreier Fastentage. Er fraß Reis mit Fleisch, er warf sich die Fleischstücke ruckartig und gierig in den Rachen. Klumpen von Sauce und Reis sammelten sich in seinem Bart. Zum Schluß leckte er die Schüssel mit solcher Intensität leer, daß sie sich scheppernd im Kreise drehte, rülpste einmal kräftig, und dann wankte er mit einem Bauch, rund wie eine
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