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Puck

Puck

Titel: Puck
Autoren: Hans G. Bentz
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Spielhahnfeder gemalt war. »Alles Preißn, Groß-Industrie, Bankiers, verstehst? Du muaßt scho bis zum Bach naufsteig’n, wenn’st no a bißl alloa sei möchst. Da ob’n des Häusl von der alt’n Professorin — kennst as no? I will grad hi.«
    Zum Haus der Professorin! Es war, als ob etwas in mir aufspränge wie ein altes Tor. Plötzlich wußte ich, was mich im Grunde hierhergezogen hatte.
    »Die hot scho lang ins Gras biss’n, d’Professorin«, erzählte der Alois, während er neben mir herstapfte. »Ihre Bubn und Madln ham’s Haus g’erbt, aber drin wohna will koana, wo mir doch unter Denkmalschutz stehn und am Häusl nix g’ändert wem derf. Da hams’ mi zum Aufpasser g’macht, damit i a bißl nach ‘m Recht’n schaug — Du sagst ja nix, bist auf d’Goschn g’falln?«
    »Nein, alter Junge, mir hat es bloß ein bißl den Atem verschlagen.«
    »Wie des?«
    »Weil ich plötzlich wieder so an ihn denken muß.«
    »An wen?«
    »An Puck.«
    Ich fühlte, wie er mich schief von der Seite ansah, während wir langsam und mühevoll durch das steile, jetzt ganz trockene Bachbett emporpusteten: »Den Puck — dei Hunderl?« Er blieb stehen und musterte mich interessiert: »Also hast ‘n doch net vergessen. He — wo willst denn hi? Mir san scho do!«
    Er setzte sich auf die riesige Wurzelschleife, die wie ehedem in das Bachbett hineinragte und auf der wir so oft Seite an Seite gesessen hatten. Auch jetzt ließ ich mich neben ihm nieder. Umständlich stopfte er die Pfeife, zeigte dann damit auf das Haus, dessen Gebälk mir viel grauer geworden schien und dessen Bilder — Hirsch, Jäger und Eremit vor der Höhle — noch verblaßter. Der Zaun hatte Löcher. Innen wucherte hohes Gras. Der Löwenzahn war schon zur Hälfte abgeblüht und weißhaarig von zehntausend kleinen Fallschirmen.
    »Die Jalousie da im Eck hängt a ganz schief«, knurrte der Alois neben mir. »I werd’s a bißl naufbind’n. Wartst auf mi?«
    Ich nidete nur. Er stand auf, humpelte ächzend durch das Bachbett, die Lücke im Zaun, auf das Haus zu.
    Mir wurde, sobald ich allein war, ganz feierlich zumute. Ich fühlte, wie sich in mir ferne Vergangenheit zur Gegenwart wandelte. Plötzlich strahlt das Haus wieder in bunten Farben, die Goldtaler des Löwenzahn sind wieder alle da, hinter dem Erkerfenster bauschen sich die Gardinen. Eine lange weiße Hand schiebt sie zur Seite, enthüllt die strenge Gestalt einer alten Frau, und an ihr vorbei in die Tiefe des Gartens schießt ein weißer Hund, rast auf eine Katze zu, die schleunigst entflieht. Dieses weiße Wesen hat die stählerne Spannkraft eines Rassepferdes, den Mut eines Löwen und die liebende Verspieltheit eines Kindes. Es ist Puck, der erste Hund meines Lebens. Er war es, der mich hierherrief! Die Jahrzehnte laufen zurück wie die Spule eines Tonbandes. Jetzt ein Stopp — ich sitze hinter meinem alten, großen Schreibtisch in Berlin, Anno 1938.
    Draußen vor den Fenstern steht tausendstemige Nacht, lautlos, hoch und blau. Auch bei mir hier drinnen ist es still. Im engen hellen Kreis der Lampe sind das Zischen und Knacken unter der weißen Asche meiner Zigarre und das weiche Gleiten meiner Feder über das Papier schon starke Geräusche. In grauen Schwaden schleicht der Rauch über die Intarsien des Tisches, der gewaltig-breit auf grimmigen Löwenfüßen und umgürtet von seinem Fries tanzender Bauern im Zimmer hockt.
    Die Schiebetür zum Nebenzimmer ist zurückgerollt. Es ist völlig finster nebenan, und nur irgendein Metallteilchen blinkt reflektierend auf. Plötzlich kommt aus dem Dunkel ein Seufzer, dann wieder Stille. Danach ein sonderbarer, kaum wiederzugebender Laut zwischen Gähnen, Knurren und Seufzen: »Biurrrrr!« Wieder Stille. Nun ein leichter, dumpfer Plumps, und dann kommen tiptiptip kleine Krallenfüße über das Parkett.
    Es ist ganz weiß, was da kommt, weiß, schlank und drahthaarig. Rechteckig, von widerborstigem Gezausel umstarrt, hebt sich der Kopf. Nur das linke Ohr, schwarzbraun gefleckt, unterbricht die Weiße und außerdem, eingesetzt in das Gesicht als drei blanke Kohlestückchen, Augen und Nase. Jetzt leuchten die Augen für einen Moment höllengrün auf, als das weiße Fellwesen lautlos durch die Lichtbahn der Lampe über den Teppich gleitet.
    Und nun ist es bei mir. Eine tiefe Verbeugung nach vom, das Maul mit dem Raubtiergebiß wird weit aufgerissen, die Zunge darin rot, schmal und dünn aufwärts gekrümmt wie die eines Greifs. Zweite Dehnung nach hinten,
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