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Puck

Puck

Titel: Puck
Autoren: Hans G. Bentz
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Hartgummibällchen! Hundertmal warf er es Herrchen vor die Füße, und immer wieder nahm der es auf und spielte mit ihm.
    Nach der ersten Wiedersehensfreude jedoch bemerkte Puck sehr bald, daß sich während seiner Abwesenheit von daheim etwas verändert hatte, und zwar war es das Herrchen selbst, von dem diese Veränderung ausging. Puck, der Herrchens Gedanken las, entdeckte immer mehr dunkle Schatten darin. Besonders schlimm waren sie, wenn Herrchen mit ihm ins Cafe Lüddecke ging und die Zeitungen las. Wenn er das Cafe verließ, ging er ganz krumm, schüttelte manchmal den Kopf und redete mit sich selbst, so daß ihm die Leute nachsahen.
    Puck versuchte ihn aufzuheitern, sprang an ihm hoch, riß ihm den Stock weg, raste damit hin und her und lieferte wilde Gefechte mit einem Kollegen aus der Nachbarschaft, der sich auch an den Stock hängte. Aber Herrchens Reaktionen waren nur müde und mechanisch, und in einer Nacht kam er ins Badezimmer und holte Puck in sein Bett. Das Zimmer war voll kaltem Rauch, und im Aschenbecher lag ein Berg von Zigarettenstummeln. Herrchen drückte ihn so heftig an die Brust, daß es weh tat: »Ach, Puckchen, was soll bloß werden? Was soll aus uns allen werden?«

Der Lange

    Vor mir tauchte etwas auf. Und dieses Etwas roch penetrant nach altem Pfeifentabak: Alois betrachtete mich grinsend, während ich mich bemühte, mich zurechtzufinden.
    »Die Jalousie hab i g’macht, hast as net g’hört? Du schaugst aus, als ob’st no a bißl vor di hispinnen möchst, gell? Also dann — pfüat di! Kannst di ja im Gartn in den olden Schaukelstuhl setz’n, vielleicht holt er’s no aus. Wenn net...« Er breitete die Arme fatalistisch nach beiden Seiten, hob die Schultern, und dann hörte ich nur noch seine eisenbeschlagenen Stiefel durch den Kies des Hohlwegs knirschen.
    Ich sah mich verträumt um. Der Fels, der hinter dem Haus aufstieg, war so nah und hoch, daß ich aus meiner Wurzelschlinge aufstehen und den Kopf in den Nacken legen mußte. Ich erinnerte mich: Wenn ich da die Wiese hinaufkletterte und mich durch die Latschen zwängte, konnte ich den Fels anfassen, den Leib des riesigen Turmes fühlen, der fast zweitausend Meter senkrecht aufstieg und mit seinen Zinnen die Wolken fing. Mit einem wohligen Gruseln hatte ich es früher oft getan und erwog es jetzt auch. Aber da war wieder das kleine Fellwesen, das mich mit schiefgeneigtem Kopf aus seinen braunen Augen betrachtete. Ich wollte zu ihm zurück. Sein Schicksal erwartete mich und alte, jahrzehntelange Liebe und Zärtlichkeit, wie ein warmes Zimmer uns erwartet, wenn wir aus Sturm und Kälte heimkehren. Der Schaukelstuhl auf der Terrasse war wirklich verlockend für diesen Zweck. Ich kroch durch den Zaun, ging durch die Blumenwildnis zur Terrasse, deren Stufen geborsten waren, und setzte mich vorsichtig in den Stuhl. Er hielt. Vorsichtig begann ich zu wippen, und während ich es tat, sah ich an den äußersten Enden des Stuhls ein paar dunkle Einkerbungen: die Spuren von Pucks Zähnen. Er empfand das Schaukeln des Stuhls immer als einen besonderen Ulk und biß wild in das Gestänge.
    Puck!
    Abermals sausten die Jahrzehnte zurück bis zu dem Tag, als wieder der Lange mit der Brille bei Herrchen auftauchte, der damals die Köchin — und das Herrchen — so zusammengestaucht hatte.
    Sein Gesicht war ernst, als er, von Puck freundlich beschnuppert, in die Tür trat: »Was gibt’s denn, René?«
    Herrchen half ihm aus dem Mantel: »Komm ’rein.«
    Drinnen war Puck sofort bei dem Langen und drückte ihm sein besabbertes Bällchen in die Hand. Der Lange zerrte es ihm aus den Zähnen, aber Puck merkte, daß er nicht ganz bei der Sache war. Herrchen goß dem Langen etwas von dem Zeug in ein Glas, das Puck in der Bar so schlecht bekommen war und das er seitdem verabscheute: »Sag mir die Wahrheit, Hannes — Ihr Leute von der Zeitung wißt es doch am besten. Gibt es Krieg?«
    Der Lange starrte auf den Tisch und wischte eine Cognaclache von der Platte: »Im Moment kaum...« Er hob den Kopf und sah das Herrchen an: »Aber auf die Dauer — wer weiß?«
    Das Herrchen stürzte seinen Cognac herunter: »Ich’ glaube an Krieg, schon in einem Jahr. Jedenfalls habe ich mich entschlossen, nach Paris zurückzugehen. Ich bin Franzose, und sicher geht es wieder gegen uns los.«
    »Dafür liegen im Augenblick keinerlei Anzeichen vor. Eher gegen Polen...«
    »Vergiß nicht, daß wir einen Beistandspakt mit Polen haben. Kannst du garantieren, daß uns das
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