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Proust 1913

Proust 1913

Titel: Proust 1913
Autoren: Luzius Keller
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petit, ich missbrauche Ihre Güte und schicke Ihnen zur Prüfung den
möglichen
Schluss dieses Bandes, wobei ich ihn nur um einige Seiten verlängere. […] Dann käme das Stück über meine Spaziergänge in der Avenue des Acacias, das ich Ihnen schicke und mit dem ich schließen würde (ich würde schließen mit: Die Häuser, Straßen, Avenuen sind flüchtig wie die Jahre). Dieses Stück kam erst etwa hundert Seiten später und war eine Rückblende, denn zu einem Zeitpunkt, als ich mit den Swanns bekannt war, erinnerte ich mich an eine Zeit, als ich sie noch nicht kannte. Jetzt wäre es das Gegenteil. Ich sehe die Nachteile dieses Schlusses, aber ich sehe darin auch große Vorteile. Ich verrate Ihnen weder diese noch jene, um Sie nicht zu beeinflussen. […] Urteilen Sie selbst darüber, ob dies als Schluss nicht besser ist als der Sonnenstrahl auf dem Balkon.« ( XII , 287 – 288 )
    Auch nach hundert Jahren kann und darf sich jeder Leser über die Vor- und Nachteile des Schlusses von
Du côté de chez Swann
seine Gedanken machen. Halten wir lediglich fest, dass mit dem neuen Schluss Proust sein Werk sozusagen datiert und signiert. In der Person, die »in diesem Jahr« »an einem der ersten Vormittage im November« (
Unterwegs zu Swann,
607 ) den Bois de Boulogne besucht, darf man sich Proust 1913 vorstellen, muss sich aber bewusst bleiben, dass Proust in den ersten Novembertagen dieses Jahres anderes zu tun hatte, als den Bois de Boulogne zu besuchen, und dass der nostalgische Blick auf die Belle Époque mit ihren Equipagen und der entsetzte Blick auf die Automobile der Moderne zur Fiktion des Romans und nicht zur Realität des Autors gehören.

Oktober
    Prousts Hinterlist
    Kurz nach dem 24 . Oktober schreibt Proust an Maurice Barrès einen Brief, der an Berechnung, Täuschung, Hinterlist kaum zu überbieten ist. Ziel und Zweck des Briefes ist, den renommierten Maurice Barrès auf das bevorstehende Erscheinen von
Du côté de chez Swann
hinzuweisen und ihm nahezulegen, eine Rezension des Werks zu schreiben – wie es zwanzig Jahre früher Proust gelungen ist, den renommierten Anatole France dazu zu bringen, für seinen Erstling ein Vorwort zu verfassen. Der Brief beginnt mit einer Lüge: Proust behauptet von Paris abwesend gewesen zu sein und deshalb nicht zu wissen, ob sein Buch schon ausgeliefert und an Barrès geschickt worden sei: »Cher Monsieur, im Augenblick, in dem Sie mein Buch erhalten haben (oder gleich erhalten werden, ich weiß nicht, denn ich war nicht hier), möchte ich mich bei Ihnen für das Missgeschick entschuldigen, von dem ich nichts wusste, obwohl Sie möglicherweise das Gegenteil annahmen: Es sieht so aus, als hätte ich einen Brief von Ihnen nicht beantwortet, der irrtümlicherweise an Monsieur Prévost adressiert war.« ( XII , 284 ) Über das Quiproquo Marcel Prévost/Marcel Proust hat Proust neun Jahre später ein Kabinettstückchen geschrieben (»Conversation bête entendue chez une femme remarquable«), im Augenblick aber geht es ihm darum zu betonen, wie wertvoll für ihn ein Brief von Barrès ist. Dann wendet er sich dem 1912 in der
Revue Hebdomadaire
und im Februar 1913 in Buchform erschienenen Roman von Barrès
La Colline inspirée
zu: »Ich denke so oft an Sie! Als
La Colline inspirée,
Ihr Meisterwerk, in der
Revue Hebdomadaire
erschien, wollte ich Ihnen schreiben. Dann dachte ich, es wäre besser, was ich Ihnen schreiben wollte, für andere zu schreiben, und habe einen Artikel gemacht, der zwar nicht hervorragend war, der Ihnen aber in korrigierter und überarbeiteter Form wohl als zutreffend erschienen wäre. Mein Freund Hahn, der Verbindungen zu
Le Temps
hat, brachte meinen Text dorthin. Man versprach, ihn zu bringen. Schließlich aber ist er nie erschienen.« ( XII , 285 ) Prousts Lobesbezeigungen für
La Colline inspirée
sind schwer nachzuvollziehen. Es ist anzunehmen, dass sie Teil einer Werbekampagne sind.

November
    Am 14 . November 1913 erscheint
Du côté de chez Swann.
Die am 8 . November fertiggestellte Auflage beträgt 1750  Exemplare.
    Proust wirbt
    Die Werbekampagne für Prousts Roman beginnt lange vor dessen Erscheinen. Seit der Suche nach einem Verleger in der zweiten Jahreshälfte 1912 wird der Autor nicht müde, sein Werk anzupreisen und dessen Besonderheiten herauszustreichen. Diesem Zweck dienen auch die Briefe an Freunde und Bekannte, in denen Proust vordergründig einen Ratschlag erbittet, im Grunde aber die Gelegenheit schafft, von seinem Werk zu
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