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Proust 1913

Proust 1913

Titel: Proust 1913
Autoren: Luzius Keller
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später, am 3 . Juni 1914 , schreibt Proust an Émile Straus in einem Brief, der die Ereignisse um Agostinelli zusammenfasst und auch von den unverschämten Geldforderungen der Angehörigen Agostinellis berichtet: »Agostinelli war (was ich in Cabourg, wo ich ihn als Chauffeur kennengelernt hatte, nicht
vermutet
hatte, und nachher habe ich ihn jahrelang nicht mehr gesehen) ein außergewöhnliches Wesen, begabt mit den größten geistigen Fähigkeiten, die ich je angetroffen habe!« ( XIII , 228 ) Und rückblickend auf seine Trauerarbeit, die schon erste Resultate zeitigt, schreibt er kurz nach dem 24 . Oktober 1914 an Reynaldo Hahn: »Ich liebte Alfred wirklich. Dass ich ihn liebte, ist zu wenig gesagt, ich vergötterte ihn.« ( XIII , 311 )
    Agostinelli

September
    Der passende Schluss
    Seit Grasset ihm Ende Mai mitgeteilt hat, das Typoskript sei nicht in einem einzigen Band unterzubringen, weiß Proust, dass er neben der Gliederung und den Titeln auch Anfänge und Schlüsse neu überdenken muss – in erster Linie den Schluss des Bandes, der jetzt den Titel »Du côté de chez Swann« trägt. Anfang Juni schreibt er seinem Verleger, er wolle abwarten, bis man wisse, »wie viele Seiten die Streichung überlanger Abschnitte einspare und wo man schließlich aufhören muss«. Und voller Zuversicht fügt er hinzu: »Doch das ist kein großes Unglück. Ich werde immer einen Schlussakkord finden, wo dieser erste Band zu Ende kommen kann, auch wenn sein eigentlicher Inhalt nicht erschöpft ist, doch wenn seine äußerste Grenze materieller Ausdehnung erreicht ist.« ( XII , 190 ) Einen Monat später weiß der Verleger immer noch nicht, wo und wie der Band enden soll, denn der Autor hat ihm bisher weder alle Fahnen des ersten Laufes noch alle Korrekturabzüge des zweiten Laufs zurückgeschickt. Proust windet sich in Erklärungen, gibt an, seine Gesundheit sei im Augenblick »sehr schlecht«, schickt 595  Francs für den Mehraufwand und fügt, was den Schluss betrifft, hinzu: »Doch Sie sind selbst zu sehr Künstler, um nicht zu verstehen, dass ein Schluss nicht ein einfaches Anhalten ist und dass ich das Ganze nicht einfach wie einen Butterklumpen entzweischneiden kann. Dazu braucht es Überlegung und Komposition. Sobald ich habe herausfinden können, wie enden, das heißt sehr bald, in ein paar Tagen, werde ich Ihnen den ersten und den zweiten Lauf zurückschicken.« ( XII , 233 – 234 ) Bis Proust tatsächlich herausfindet, wie enden, dauert es dann nicht ein paar Tage, sondern ein paar Monate. Vorerst träumt Proust immer noch von einem Band von 680  Seiten, unter Umständen in zwei Teilbänden, der »großartig endet (soweit meine bescheidenen Mittel es zulassen)«, wäre aber auf Anraten Louis de Roberts bereit, einen Band von 520  Seiten ins Auge zu fassen, obwohl dieser »sehr armselig endet«. ( XII , 239 ) Bei dem großartigen Schluss denkt Proust möglicherweise an den jetzigen Schluss von »Im Umkreis von Madame Swann«, nämlich die Erinnerung an die in der Avenue du Bois promenierende Madame Swann »unter ihrem Sonnenschirm wie unter dem fließenden Licht eines Glyzinienbogens« (
Im Schatten junger Mädchenblüte,
308 ), vielleicht auch an jenen des Typoskripts und der am 11 . Juni hergestellten letzten Druckfahne, nämlich den am Ende des Aufenthaltes in Bricquebec (Balbec) wiedererwachten Wunschtraum von Italien, Florenz und den »Narzissen, Osterglocken und Anemonen des Ponte-Vecchio« (Pléiade, II , 1488 ). In einem Brief von Anfang September an Lucien Daudet, dem Proust einen Korrekturabzug mit dem Bravourstück über den Sonnenstrahl auf dem Balkon als Schluss überlassen hat, taucht die Idee auf, »für den Schluss des Bandes einige Seiten hinzuzufügen, die ein wenig später kamen«. ( XII , 257 ) Zur gleichen Zeit schreibt Proust an Louis de Robert: »Ich werde den Schluss nicht so beibehalten, wie Sie ihn gelesen haben. Ich werde aber das Buch deshalb nicht verlängern. Ich werde lediglich fünf oder sechs Seiten hinzufügen, die in der Mitte des zweiten Bandes stehen und die eine etwas ausführlichere Schlussapotheose darstellen.« ( XII , 271 ) Um welche Seiten es sich handelt, verrät Proust Lucien Daudet erst eineinhalb Monate später, wobei er immer noch von einem »möglichen« Schluss spricht. Doch Änderungen konnten zu diesem Zeitpunkt wohl keine mehr vorgenommen werden; das Erscheinen von
Du côté de chez Swann
stand unmittelbar bevor. Zum Schluss schreibt Proust: »Mon cher
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