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Projekt Sakkara

Titel: Projekt Sakkara
Autoren: Andreas Wilhelm
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muss die Wahrheit ausgesprochen werden. Und wie kann man jemals die Wahrheit finden, wenn uns schon Gedankenspiele verboten sind?«
    »Aber nicht jeder kann mit derart spekulativer Thematik umgehen. Es soll ja Menschen geben, die für bare Münze nehmen, was immer irgendwo geschrieben steht, allein, weil es geschrieben steht.«
    »Ich werde wohl kaum auf jeden Bauern Rücksicht nehmen können, wenn ich eine wissenschaftliche Arbeit veröffentliche.«
    Sir Guardner winkte ab. »Ich sage nur, dass derjenige, der auf der Suche nach Wahrheit ist, eine große Verantwortung trägt. Und das insbesondere auch dann, wenn es nicht belegbar, nicht die endgültige Wahrheit ist.«
    »Ich verstehe natürlich, was Sie meinen.« Morgen lenkte ein, weil er kein Interesse hatte, dieses Thema zu vertiefen. Tatsächlich war er aus einem ganz anderen Grund hier. »Und daher bin ich weiter auf der Suche. Nach Quellen, Wurzeln unserer Kultur und unserer Herkunft.«
    »Und das hat Sie nach Ägypten geführt?«
    »Nicht nur das, Sir Guardner. Es hat mich zu Ihnen geführt.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Es gibt nicht viele, die auf der Spur des Allsehenden Auges sind.«
    Der Engländer hielt erstaunt inne. »Was wissen Sie darüber?«
    »So viel wie jeder, der die mystische Tradition untersucht und nach dem Ursprung des Allsehenden Auges, ja, dem Ursprung unserer Kulturen sucht. Ich habe in den letzten Jahren alles gelesen, was zu finden war, bin in den Bibliotheken von Paris, Prag und Lissabon gewesen, den großen Museen und Nationalgalerien, habe mit Esoterikern in Wien und Budapest gesprochen und mit Geistlichen in Rom und New York. Und mehr als einmal bin ich dabei lediglich einer Spur gefolgt, denn stets war bereits jemand vor mir da gewesen und hatte dieselben Folianten und Handschriften verlangt, dieselben Fragen gestellt. Alle Fäden liefen schließlich im alten Ägypten zusammen – und im modernen Kairo: bei Ihnen.« Wolfgang Morgen beugte sich vor. »Und nun brenne ich darauf zu erfahren, wie weit Sie gekommen sind. Welche Verbindungen haben Sie aufdecken können? Und liegt die Lösung in Tell el-Amarna?«
    Sir Guardner schwieg einen Augenblick. Er nahm einen weiteren Zug aus der Wasserpfeife, bevor er antwortete. »Sie überraschen mich, Herr Morgen.«
    »Haben Sie mir derartige Recherchen nicht zugetraut?«
    »Das ist es nicht. Dass Sie es jedoch wagen, so direkt mit Ihrem Ansinnen herauszuplatzen, verwundert mich. Ihnen wird nicht entgangen sein, dass es recht energische Interessen gibt, solche Themen unter Verschluss zu halten.«
    »Ja, das haben Sie schön ausgedrückt. Tatsächlich sind es sogar fanatische, kriminelle Interessen.« Er beugte sich noch weiter vor. »Aber Sie und ich, wir sind auf derselben Seite. Ich kann Ihnen trauen und Sie mir. Zeigen Sie mir, was Sie herausgefunden haben. Niemand kann eine beeindruckendere Sammlung und ein so unerschöpfliches Wissen haben wie Sie.«
    »Sie schmeicheln mir.«
    »Ich meine es vollkommen ernst. Sie haben die Spuren bis hierher verfolgt, und nun sind Sie bereits so lange in Ägypten ... Wer ist denn sonst schon hier? Ausgräber, Restauratoren, Schatzsucher, Akademiker. Aber wer von denen ist in der Lage, die Funde mit der wirklichen Geschichte in Verbindung zu bringen? Wir beide wissen, dass alle Arbeiten hier nichts weiter als blindes Umhertasten in dreitausend Jahren Dunkelheit sind. Aber Sie haben den Ariadnefaden erspürt und können ihn zurückverfolgen bis ins Herz des Labyrinths.«
    »Ein wirklich treffendes Bild«, sagte Sir Guardner. Dann nickte er zögerlich. »Nun, dann lassen Sie uns warten, bis die Gäste gegangen sind. Vielleicht kann ich Ihnen ja das ein oder andere Stück meiner Sammlung zeigen.«
    Einige Stunden später stand Wolfgang Morgen auf der Terrasse am Rand des Pools und blickte in den Garten. Die Öllampen im hinteren Teil waren bereits gelöscht und die dortigen Stühle aufgeräumt worden. Im Laufe des Abends hatten sich die Gäste zu immer kleineren, trinkfesten Grüppchen zusammengefunden, die oberflächlichen Unterhaltungen waren erst aufdringlichen Abenteuergeschichten, Zoten und Gelächter gewichen, dann halblauten und mühsam formulierten Freundschaftsbekundungen und schließlich der Stille des leeren Gartens.
    Sir Guardner trat heran. »Herr Morgen, Sie sind tatsächlich noch da.«
    Der Deutsche drehte sich um. Guardner trug ein redselig wirkendes Lächeln zur Schau, und ein leichtes, aber wahrnehmbares Schwanken ließ vermuten, dass er
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