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Prinzessin

Prinzessin

Titel: Prinzessin
Autoren: John Aysa
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›She‹ ist. Natürlich, so lange ist der Untergang auch nicht her. Aber She gefällt ihr. Es ist wunderbar nichtssagend. Sie hat den Namen auf dem Umschlagbild eines Buches gesehen, eines uralten britischen Abenteuerromans aus dem 19. Jahrhundert.
    Die Zeichnung zeigte eine exotische Schönheit inmitten einer Fantasielandschaft, teils Dschungel, teils Steppe. Leider war der Schmöker nicht mehr komplett, sonst hätte sie ihn gelesen.
    Aber das Bild vermittelte ihr genug vom Inhalt, um Gefallen daran zu finden. Darum hat sie ihren wahren Namen abgelegt und ist jetzt She.
    Sie erlebt selbst ein Abenteuer, unfreiwillig, gezwungen, notgedrungen, in einer Zukunft, die den Autor des Werkes eher entsetzt als entzückt hätte.
    Sie lebt das Experiment Terra nach der Apokalypse, das Zurechtkommen in einer Welt, die von ihren nach Eigendefinition intelligentesten Bewohnern zum Teufel geschickt wurde.
    Ein Leben, so grauenhaft wie in den schlimmsten Albträumen, die den Menschen durch den Kopf gegangen sind und sich in Büchern und Filmen niedergeschlagen haben.
    Als die ganze verdammte Scheiße passierte und sich die strahlende Zukunft in Strahlung und Wahnsinn auflöste, war sie jung, zwar kein Kind mehr, aber auch noch nicht erwachsen. Ein verwirrter, nervtötender, selbstsüchtiger Teenager.
    Weiße Streifen zogen über den Himmel und senkten sich zur Erde nieder. Beben, Donnergrollen, gewaltige pilzförmige Wolken, Feuerstürme, Finsternis, Dauerregen und Radioaktivität formten das Antlitz der Welt für alle Zeiten um.
    Bevor sie endgültig verstummten, stammelten die verbliebenen, nur schwer verständlichen Stimmen im Äther von Atombomben, von Biowaffen, von chemischen Angriffen. Von der gesamten Palette an Massenvernichtungsmitteln, die zum Einsatz gekommen war.
    Seltsam, dass überhaupt etwas übrig geblieben war. Die letzten Worte aus dem Radio galten dem Overkill und der Barmherzigkeit des Allmächtigen.
    Danach zerfiel die Menschheit in isolierte Gruppen, die kaum in der Lage waren, auf einem Kontinent miteinander in Verbindung zu bleiben, geschweige denn, mit Überlebenden auf einem anderen Erdteil zu kommunizieren.
    Es folgten Veränderungen, Mutationen, Kreaturen .
    Von Gnade oder einem Gott kann keine Rede sein. Es gibt keinen Gott, es hat ihn nie gegeben. Keine Gottheit, die angebetet und verehrt werden will, ist so dumm, ihre Anhänger blindlings in einen Suizid der eigenen Spezies laufen zu lassen.
    Von Göttlichkeit nirgends eine Spur, nicht in einer der Gestalten, die sich die Zivilisationen rund um den Globus ausgemalt haben.
    Wenn sie darüber nachdenkt, was sie noch gelegentlich macht, erscheint ihr das, was der Schintoismus ist, als wahrscheinlichste Form von Divinität. Eine Art Animismus, eventuell eine Theophanie.
    She hat alles überlebt. Sie ist schlau, stark, vorsichtig. Sie beobachtet, lernt, adaptiert. Wer weiß, vielleicht ist sie auch schon mutiert. Bemerkt hat sie jedenfalls nichts Außergewöhnliches, aber das ist der springende Punkt – würde sie es bemerken, wenn sie eine Mutantin wäre? Schwer zu sagen.
    Das Grauen der Welt ist Alltag, Normalität. Wer damit nicht existieren mag, krepiert. Wer unvorsichtig ist, verreckt. Wer sich auf andere verlässt, kratzt ab.
    Der Tod ist ständiger Begleiter und fährt reiche Ernte ein, Tag für Tag für Tag. Ungebremst, unbekümmert, unberührt.
    Sie marschiert. Trotz der alles durchweichenden Feuchtigkeit knirscht es unter den Profilsohlen ihrer Stiefel. Steine, Laub, Knochen, Erde, Zweige, Splitter, Brocken, Reste der Zivilisation im Matsch des aufgeweichten Untergrunds.
    Trümmer von Konstrukten, Werkstoffen, Überbleibsel des Fortschritts.
    Sie hat ihr Gepäck auf dem Rücken, ihre Waffen in Bereitschaft, und schreitet voran, den Pfad entlang, den sie gehen muss, den das Schicksal für sie vorgesehen hat.
    In ihren Gedanken macht sich ein Grinsen breit. Esoterischer Mumpitz, der die Kontrolle übernommen hat. Die Sache ist in Wahrheit simpel. Sie hat ein Reiseziel, aber keine Ahnung, was es ist, wo es sich befindet oder wann sie dort ankommen wird. Möglicherweise ist der Weg das Ziel, vielleicht gibt es einen Ort, den es zu erreichen gilt.
    Wie auch immer, sie wandert. Sie hat eine klare Vorstellung davon, auf welcher Route sie sich zu bewegen hat. Da ist ein innerer Zwang, eine Leere, die sie in diese Richtung zieht, eine Sehnsucht. Ihr ist bewusst, dass sie allein zu gehen hat. Das ist ihre Reise, ihr Weg, ihre Bestimmung.
    Esoterischer
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