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Prime Time

Prime Time

Titel: Prime Time
Autoren: Liza Marklund
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in die Windel machte.
    Als Thomas den Schlüssel ins Schloss steckte, erstarrte sie.
    Die Klarheit wurde weggewischt. Die Kinder hatten gegessen, Ellen war eingeschlafen, Kalle hatte seinen Schlafanzug an. Sie warf ein schnellen Blick über die Küche, sah prüfend das Kind an und zwang sich dann, damit aufzuhören.
    Er hatte nicht das Recht, sie oder ihre Arbeit im Haushalt zu beurteilen, und sie durfte ihm dieses Recht auch nicht zubilligen. Sie stand in der Küche, als er hereinkam, und sah die Scherben ihres eigenen Gefühls um ihn herum.
    Er küsste sie mit kalten Lippen auf den Mund.
    »Hör mal«, sagte er, »ich habe viel zu erzählen.«
    »Ich auch«, sagte sie.
    Er drehte sich um, nahm Kalle und warf ihn hoch. Annika las dem Jungen Donald Duck vor, während Thomas das in der Mikrowelle warm gemachte Wok-Hühnchen aß. Es war das Rezept mit Chili und eingelegtem Koriander, das er ihr gezeigt hatte. Sie deckte Teddy zu, gab dem Kind einen Gutenachtkuss und streichelte ihm die Wange.
    Dann ging sie ins Fernsehzimmer. Ihr Körper und ihre Seele waren leer, sie ließ den Luftzug vom offenen Fenster über die nackten Arme streichen. Dann sank sie mit Chipstüte und Fernbedienung bewaffnet neben Thomas und sog den Geruch der sommerlichen Stadt ein. Birken und Schmutz, Flieder und Abgase. Die gelegentlichen und weit verstreuten Geräusche wirkten klarer und konturierter als sonst, ein Auto konnte verschwinden, ehe das nächste vorbeifuhr.
    Im Fernsehen lief »Jeopardy«.
    Annika legte den Kopf zurück und schloss die Augen.
    »Ich habe den Job«, sagte Thomas.
    Sie sah ihn an und lächelte.
    »Habe ich doch gesagt, wenn sie einigermaßen bei Verstand sind, dann nehmen sie dich.«
    »Ich war nicht sicher, ob sie einigermaßen bei Verstand sind.«
    »Glückwunsch. Erst Seoul und dann das. Wie lief es?«
    »Ich hab gemacht, was du vorgeschlagen hast, bin mit den gebundenen Infobroschüren gekommen und dass wir alle glauben lassen müssen, wir hätten das schon immer gesagt.«
    Sie hob erstaunt die Augenbrauen.
    »Ich dachte, du fändest die Idee blöd.«
    Thomas starrte auf den Bildschirm, jetzt ein klein wenig rot im Gesicht.
    »Ich habe nicht wie du gesagt, dass das alles nur eine Frage der Schreibtechnik sei«, sagte er.
    Sie saß neben ihm und sah, ohne zu sehen, horchte, ohne zu hören. Atmete seine Nähe ein, fühlte sich geborgen in seiner Wärme.
    Kurz nach halb acht schaltete Thomas um. Sie hatten die Übersicht über die Nachrichten verpasst und landeten gleich beim ersten Beitrag. Es wurde der Blick auf die russische Botschaft gezeigt, aufgenommen aus dem Zimmer von Chefredakteur Torstensson.
    Annika setzte sich auf und lehnte sich ein wenig vor. Der Chefredakteur kam jetzt ins Bild, er schwitzte und hatte ein Bild mit einer nackten Frau hinter sich.
    »Herr Torstensson«, sagte Mehmed Izol von außerhalb des Bildes, »welche Einstellung hat das
Abendblatt
zu Wirtschaftskriminalität?«
    Torstensson räusperte sich.
    »Verbrechen sind in jeder Form eine Geißel der Demokratie. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben der Massenmedien, kriminelle Personen aller Gesellschaftsgruppen auszumachen und zu entlarven.«
    »Und ich dachte immer, das sei Aufgabe der Polizei«, sagte Annika.
    »Was ist Ihre persönliche Meinung über Menschen, die zum Beispiel Insiderverbrechen begehen?«
    Der Chefredakteur befeuchtete seine Lippen und setzte sich im Stuhl zurecht.
    »Alle Verbrechen müssen geahndet werden«, antwortete er mit aufgerissenen Augen. »Das ist die Voraussetzung für jede funktionierende …«
    »Ja, aber das habe ich nicht gefragt«, unterbrach ihn Mehmed ruhig.
    »Ich habe nach Ihrer persönlichen Meinung gefragt.«
    Torstensson verstummte und schwitzte.
    »Wieso?«
    »Mir liegen Informationen vor, denen zufolge Sie im Voraus über den Zustand der Firma Global Future informiert waren, der erst im Halbjahresbericht des Unternehmens am 20. Juli allgemein bekannt gemacht wurde.«
    Annika wurde schwindelig, um Gottes willen, jetzt kam es.
    Torstensson schluckte laut und schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte er, »absolut nicht.«
    »Doch«, entgegnete Mehmed. »Ich habe die Informationen aus einer sicheren Quelle. Da Sie alle Ihre Aktien am 19. Juli veräußerten, haben Sie sich eines Insidergeschäftes schuldig gemacht.«
    Annika starrte in das verschwitzte Gesicht Torstenssons und bekam kaum noch Luft. Die Augen des Chefredakteurs wurden noch größer, sie konnte sehen, wie er nachdachte und in Panik
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