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Prime Time

Prime Time

Titel: Prime Time
Autoren: Liza Marklund
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wahrscheinlich London, und stellte sich in eine Ecke der Bühne. Stefan Axelsson hielt den Kopf gesenkt und weinte so sehr, dass seine Schultern zuckten.
    Annika schaute wieder zu der Produzentin. Sie hatte etwas geahnt, es aber doch nicht begriffen. Sie hatte die Kraft, die hier wirkte, nicht verstanden, obwohl sie die ganze Zeit davon umgeben gewesen war.
    »Mein Gott!«, rief Karin Bellhorn und sah sich gehetzt und mit rotem Gesicht um. »Das ist eine Fälschung! Begreifen Sie das nicht? Anne Snapphane hat das alles zusammengeschnitten, das ist doch klar.«
    Annikas Gerechtigkeitssinn meldete sich: Diese verdammte Hexe schob die Schuld auf Anne, die nicht da war! Der Raum löste sich auf, die schwarz gekleidete Produzentin stand mit dem Rücken zur Wand.
    »Das ist doch unglaublich!«, rief Karin Bellhorn am anderen Ende der Ewigkeit. »Die schreckt ja vor gar nichts zurück! Warum sollte ich Michelle ermorden wollen?«
    Annika stemmte sich gegen den Heizkörper, krallte die Finger fest und konnte nicht länger schweigen.
    »Kain und Abel«, sagte sie mit unerwartet klarer Stimme.
    »Das älteste Mordmotiv in der Geschichte. Es ist so leicht, das zu werden, was man tut. Und man glaubt, man sei das, was alle anderen sehen.«
    Köpfe wandten sich um, verblüffte Blicke, Annika ahnte sie, ohne sie wirklich zu sehen, spürte sie, aber kümmerte sich nicht darum. Sie wusste, dass die Gesichter offen und leer, alle Konturen aufgelöst und für jeden möglichen Eindruck bereit waren.
    Karin Bellhorn beugte sich etwas vor, ihre Augen waren schwarz und ihre Miene aggressiv. Sie kämpfte um ihr Leben.
    »Wollen Sie behaupten, ich würde jemanden aus bloßem Neid ermorden?«
    Es war völlig still im Raum, die Menschen hatten aufgehört zu atmen. Zwischen den Worten erfüllte das elektronische Surren der Kameras die Luft, die Scheinwerfer ließen die Gesichter heiß werden, der Duft der Blumen wirkte erstickend.
    »Ganz und gar nicht«, sagte Annika. »Es geht um viel mehr als das.«
    »Sie wissen ja nicht, wovon Sie reden!«, schrie Karin Bellhorn.
    Annika schloss einen Moment die Augen und fand ihre Wahrheit.
    »Wenn man sich selbst für wertlos hält, wird man zu dem, was man tut. Und wenn auch niemand sieht, was man tut, dann ist man doppelt unsichtbar. Je mehr man versucht, gehört zu werden, desto wütender wird man, so wie eine Fliege. Und die ganze Zeit wird jemand anders gehört und ernst genommen, jemand, der es vielleicht nicht verdient.«
    »Sind Sie nicht ganz dicht?«
    Die Stimme der Produzentin überschlug sich.
    »Karin«, sagte Annika, »Sie haben mehr über die Mechanismen des Ruhms nachgedacht als jeder andere. Ich glaube, dass Sie einfach die Schnauze voll hatten. Alle haben Michelle Carlsson gesehen, aber niemand sah Sie.«
    Annika hielt die Produzentin über die Köpfe der Trauernden hinweg mit ihrem Blick fest.
    »Ich verstehe Sie, Karin«, sagte Annika. »Ich weiß, warum Sie das gemacht haben. Ich verstehe auch Kain. Wenn man zu lange missachtet wird, verschwindet man als Mensch. Am Ende tut man alles, nur um noch da zu sein.«
    Karin Bellhorn blinzelte, Annika sah, dass sie schwankte.
    »Der Revolver lag auf dem Fußboden«, fuhr Annika fort.
    »Sie haben ihn aufgehoben, er war klebrig, Sie wussten nicht, warum.«
    Die Produzentin antwortete nicht, sie atmete keuchend.
    Annika schloss einen Moment lang die Augen.
    »Sie haben den Revolver genommen«, sagte sie, »er war gar nicht schwer, nur kalt. Er war gewichtslos, eine Verlängerung Ihres Armes.«
    Karin Bellhorn versuchte, etwas zu sagen, bekam aber kein Wort heraus.
    »Michelle stand da und redete, bis Sie nicht mehr konnten, Sie wussten, dass Sie sterben würden, wenn sie noch weitersprach.« Die Produzentin starrte sie mit offenem Mund an.
    »Es hieß Michelle oder Sie«, sagte Annika, »und es war so leicht abzudrücken, sie merkten es kaum. Und Sie schauten ihr in die Augen, als sie nach hinten geworfen wurde, und Sie sahen, dass sie nichts kapierte. Sie starb, ohne etwas zu begreifen.«
    Karin Bellhorn war weiß geworden und kämpfte um jeden Atemzug.
    »Dann kam der Knall und der Rückstoß, und ihr Kopf war vollkommen leer. Sie haben sofort begriffen, und Sie wussten, dass alles schiefgelaufen war. Nicht wahr, Karin?«
    Annikas Stimme war jetzt nur noch ein Flüstern.
    »Ich wollte nur, dass sie still ist«, sagte Karin Bellhorn.
    Anne Snapphane starrte Annika auf dem Monitor an. Die Bewegung der Köpfe von Karin zu Annika. Sie hatte die
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