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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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ihres Befehlshabers, daß, wenn sie sofort den Hügel angegriffen hätten, sogar dieser unsinnige Vormarsch noch glücklich ausgehen hätte können. Doch der böse Geist, der mit ihnen spielte, als wären es Pfänderstücke, hatte andere Ziele und andere Beweggründe. Sie mußten wenigstens so lange im Sumpfe an der Brücke stehen bleiben, bis britische Leichen dort keinen ungewöhnlichen Anblick mehr boten. Dann kam die letzte großartige Szene: der silberweiße, ehrwürdige Soldatengreis händigt sein zerbrochenes Schwert aus, um weiteres Blutvergießen hintanzuhalten. O, es war für ein Stegreifstück sehr fein eingefädelt. Aber ich glaube (beweisen kann ich es nicht), ich glaube, es geschah, während sie dort in dem blutigen Sumpfe steckten, daß jemand zweifelte – und jemand ahnte.«
    Einen Augenblick schwieg er und fügte dann hinzu: »Eine Stimme, ich weiß nicht woher, sagt mir, der Mann, der es erriet, war der Liebende ... der Mann, der das Kind des Alten heimführen sollte.«
    »Aber wie steht es mit Olivier und dem Aufhängen?« fragte Flambeau.
    »Olivier? Teils aus Klugheit, teils aus Ritterlichkeit beschwerte er sich selten auf dem Marsche mit Gefangenen. Meistens ließ er alles laufen und so tat er auch in diesem Falle.«
    »Alles mit Ausnahme des Generals,« versetzte der Große.
    »Alles,« wiederholte der Priester.
    Flambeau runzelte seine dunklen Brauen. »Ich verstehe noch immer nicht ganz,« gestand er.
    »Es gibt noch eine Szene, Flambeau,« sagte Brown und seine Stimme hatte einen geheimnisvollen Unterton. »Ich kann sie nicht beweisen, aber ich kann noch mehr tun – ich kann sie sehen. Ich sehe vor mir, wie morgens ein Lager abgebrochen wird, ich sehe kahle, glühende Hügel und brasilianische Uniformen in Haufen und Reihen marschbereit. Ich sehe Oliviers Rothemd und seinen langen, schwarzen, wehenden Bart, während er selbst dort steht mit dem breitkrämpigen Hute in der Hand. Er verabschiedet sich von dem großen Feinde, den er freigibt – von dem einfachen, greisen, englischen Veteranen, der ihm im Namen seiner Leute dankt. Der Rest der überlebenden Engländer steht dahinter in Reih und Glied, ihnen zur Seite Proviantstapel und Fahrzeuge für den Rückzug. Die Trommeln wirbeln, die Brasilianer ziehen ab, die Engländer stehen noch wie Statuen. Und so verharren sie, bis der letzte Laut und der letzte Schatten des Feindes vom Tropenhorizont verschwunden ist. Dann ändert sich plötzlich ihre Haltung, wie wenn Tote lebendig werden. Ihre fünfzig Gesichter kehren sich dem Generale zu – Gesichter, die unvergeßlich bleiben.«
    Flambeau sprang hoch auf. »O,« schrie er, »Sie meinen doch nicht –«
    »Ja,« sagte Father Brown mit tiefer bewegter Stimme. »Eine englische Hand war es, die den Strick um St. Clares Nacken legte, ich glaube, die Hand, die den Ring an seiner Tochter Hand steckte. Englische Hände waren es, die ihn auf den Baum der Schande hinaufzogen, die Hände derer, die ihn angebetet hatten und ihm zum Siege gefolgt waren. Und es waren englische Seelen (Gott erbarme sich unser aller!) die ihn anstarrten, wie er dort unter fremdem Himmel am Galgen einer grünen Palme baumelte und die in ihrem Hasse beteten, er möge von da hinabfahren in die Hölle.«
    Als die beiden den Kamm der Kuppe erreicht hatten, leuchtete ihnen das grelle Licht der roten Vorhänge eines englischen Gasthauses entgegen. Es stand zur Seite des Weges, als stehe es auch hinsichtlich seiner gastlichen Ausdehnung etwas abseits. Seine drei Türen standen einladend offen und schon tönte ihnen das Summen und Lachen für diese Nacht fröhlicher Menschen entgegen.
    »Mehr brauche ich Ihnen nicht zu erzählen,« schloß Father Brown. »In der Einöde verurteilten und richteten sie ihn. Und dann, um der Ehre Englands und seiner Tochter willen schwuren sie einen Eid, die Geschichte vom Lohne des Verräters und vom Schwerte des Mörders auf ewig zu versiegeln, vielleicht – Gott helfe ihnen – versuchten sie, sie zu vergessen, versuchen wenigstens wir, sie zu vergessen. Hier ist unser Gasthaus.«
    »Herzlich gerne,« sagte Flambeau und wollte eben festen Schrittes in das erleuchtete und geräuschvolle Gastzimmer eintreten, als er zurückprallte und fast zu Boden fiel.
    »Da, sehen Sie, in Teufels Namen!« rief er und wies starr auf das viereckige hölzerne Wirtsschild über der Türe. Es zeigte undeutlich die rohe Gestalt einer Säbelscheide und einer zerbrochenen Klinge und in nachgemacht altertümlicher Schrift
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