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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Tod herbeizuführen. All diese unheimlichen Werkzeuge, der Strick, das blutbefleckte Messer, die Schutzwaffe, waren Werkzeuge eines ausnehmenden Mitleides. Sie dienten nicht, um Sir Aaron zu morden, sondern um ihn zu retten.«
    »Ihn zu retten!« wiederholte Gilder. »Und wovon?«
    »Vor ihm selbst,« erwiderte Father Brown. »Er litt an Selbstmordwahn.«
    »Was?« schrie Merton ungläubig. »Und die Religion des Frohsinnes?«
    »– ist eine grausame Religion,« erklärte der Priester zum Fenster hinausstarrend. »Weshalb konnte man ihn nicht ein wenig weinen lassen, wie seine Väter es vor ihm getan? Seine Pläne erstarrten, sein Denken erkaltete, hinter der fröhlichen Maske barg sich der leere Verstand des Atheisten. Schließlich, um seinen allbekannten Frohsinn nach außen hin aufrechtzuerhalten, verfiel er wieder dem Schnaps, den er so lange aufgegeben hatte. Aber da haben wir dieses Schreckgespenst von Alkoholismus für den aufrichtigen, vollkommenen Abstinenzler: er malt ihn sich aus und erwartet sich diese psychologische Hölle, vor der er andere gewarnt hat. Es hatte zu früh von dem armen Armstrong Besitz ergriffen und heute morgen war er in einem solchen Zustande, daß er hier saß und schrie, er sei in der Hölle, mit einer fürchterlichen Stimme, daß seine Tochter sie nicht wiedererkannte. Er war versessen auf den Tod und mit der Tollheit des Wahnsinnigen hatte er den Tod um sich gestreut in den verschiedensten Gestalten – einen Strick und seines Freundes Revolver und ein Messer. Royce trat zufällig ein und handelte unverzüglich. Er schleuderte das Messer auf dem Teppich hinter sich, griff schnell den Revolver auf, und da keine Zeit war, ihn zu entladen, gab er Schuß um Schuß daraus auf den Fußboden ab. Der Selbstmörder ersah den Tod in einer vierten Möglichkeit und machte einen Sprung nach dem Fenster. Der Retter tat das einzige, was er tun konnte, er lief mit dem Strick hinter ihm drein und versuchte, ihm Hände und Füße zu binden. Da stürzte dieses unglückselige Mädchen herein, und in völliger Verkennung des Kampfes suchte sie, ihren Vater zu befreien. Zuerst ritzte sie nur des armen Patrick Royce Handknöchel, woher das ganze bißchen Blut in der ganzen Geschichte kommt. Aber sie haben natürlich bemerkt, daß er Blutspuren, aber ohne Wunde auf dieses Dieners Gesicht hinterließ? Doch kurz ehe das arme Weib ohnmächtig wurde, schnitt sie ihren Vater los, so daß er zerschmetternd durch dieses Fenster in die Ewigkeit einging.«
    Langes Schweigen herrschte, nur unterbrochen durch den Metallklang der Fesseln, welche Gilder Patrick Royce abnahm, indem er zu diesem bemerkte: »Ich glaube, ich hätte doch die Wahrheit gesagt, Sir. Sie und die junge Dame sind mehr wert als alle Nachreden für Armstrong.«
    »Hol' der Kuckuck Armstrongs Nachrede,« brauste Royce auf. »Verstehen Sie denn nicht, daß es geschah, damit sie es nicht erfährt?«
    »Was nicht erfährt?« fragte Merton.
    »Nun, daß sie ihren Vater tötete, Sie Dummkopf!« brüllte der andere. »Er wäre jetzt noch am Leben ohne ihr Dazwischentreten. Sie würde den Verstand verlieren, wenn sie es erfährt.«
    »Nein, das glaube ich nicht,« warf Father Brown ein, seinen Hut aufhebend. »Ich wäre sogar dafür, es ihr zu sagen. Selbst die mörderischsten Unklugheiten vergiften ein Leben nicht so, wie die Sünde; jedenfalls glaube ich, Sie werden beide jetzt glücklicher sein. Ich muß jetzt nach der Taubstummenschule zurück.«
    Als er auf das vom Wind bewegte Gras hinaustrat, hielt ihn ein Bekannter von Highgate an und sagte: »Der Untersuchungsrichter ist angekommen; die Untersuchung wird sofort beginnen.«
    »Ich muß nach der Taubstummenschule zurück,« versetzte Father Brown. »Es tut mir leid, ich kann der Untersuchung nicht beiwohnen.«

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