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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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die Worte ›Zum zerbrochenen Schwerte‹.
    »Waren Sie nicht darauf vorbereitet?« fragte Father Brown teilnehmend. »Er ist der Gott dieser ganzen Gegend; die Hälfte der Gasthäuser und Anlagen und Straßen sind nach ihm und seiner Geschichte benannt.«
    »Ich hoffte, wir wären endlich fertig mit diesem Ekel,« rief Flambeau und spuckte auf den Weg.
    »Sie werden nie mit ihm fertig sein in England,« sagte der Priester zu Boden blickend, »so lange Metall und Stein bestehen. Seine Marmorstandbilder werden auf Jahrhunderte die Seelen stolzer, unschuldiger Knaben erheben, aus seiner ländlichen Ruhestätte wird wie aus Lilien der Duft der Treue emporsteigen. Millionen, die ihn nie gekannt, werden ihn wie einen Vater lieben – ihn, den die wenigen, die ihn zuletzt gekannt, wie Kot behandelten. Er soll als Heiliger gelten und nie soll die Wahrheit über ihn bekannt werden, denn ich bin nun zu einem Entschlusse gekommen. Es hat so viel des Guten und des Schlimmen, Geheimnisse zu brechen, daß ich meinen Ruf dafür einzusetzen bereit bin. All diese Zeitungen werden vergehen; der antibrasilianische Schwindel ist schon verflogen, Olivier steht bereits überall in Ehren. Ich aber habe mir mein Wort gegeben, daß, wenn je durch Namen, Metall oder Marmor, unvergänglich wie die Pyramiden, Oberst Clancy oder Hauptmann Keith oder Präsident Olivier oder sonst ein Unschuldiger ungerechterweise beschuldigt worden wäre, ich sprechen würde. Wenn es sich aber nur darum handelt, daß St. Clare unverdienterweise gerühmt wird, würde ich schweigen. Und das will ich nun.«
    Sie traten in das Gasthaus mit den roten Vorhängen, dessen Inneres nicht nur gemütlich, sondern auch mit einem gewissen Reichtum ausgestattet war. Auf einem Tische stand eine Nachbildung in Silber von St. Clares Grabmal, das Silberhaupt gebeugt, das Silberschwert zerbrochen. An den Wänden hingen farbige Photographien derselben Darstellung sowie der Wägen, mit denen die Touristen angefahren kamen. Man setzte sich auf die bequemen gepolsterten Bänke nieder.
    »Kommen Sie, es ist kalt,« lud Father Brown ein, »trinken wir ein Glas Wein oder Bier.«
    »Oder Whisky,« meinte Flambeau.

Die drei Todeswerkzeuge
    Sowohl durch seinen Beruf als aus Überzeugung wußte Father Brown besser als die meisten unter uns, daß jedermann eine gewisse Würde umgibt, wenn er tot ist. Und doch überkam sogar ihn etwas wie Ungereimtheit, als er bei Tagesanbruch herausgerufen wurde und hörte, Sir Aaron Armstrong sei ermordet worden. Es lag etwas Absurdes und nicht Zusammenpassendes in dem Gedanken geheimer Gewaltanwendung in Verbindung mit einer so gänzlich leutseligen und volkstümlichen Gestalt. Denn Sir Armstrong war leutselig bis zur Komik und volkstümlich in einer Weise, die nahezu ans Legendenhafte grenzte. Es war, wie wenn man vernähme, Sunny Jim habe sich aufgehängt oder Mr. Pickwick sei in Hanwell gestorben. Denn obwohl Sir Aaron Armstrong Menschenfreund war und als solcher mit den düsteren Seiten der Gesellschaft verkehrte, so tat er sich doch etwas darauf zugute, das in möglichst gemütlicher Weise zu tun. In seinen politischen und gesellschaftlichen Reden jagten Anekdoten und »schallendes Gelächter« einander, er strotzte von Gesundheit; seine Lebensauffassung war ganz von Optimismus durchsetzt, und wenn er sich mit dem Trinkprobleme, seinem Lieblingsthema, befaßte, tat er es mit jenem grenzenlosen, ja sogar eintönigen Frohsinn, welcher so oft den wohlhabenden Abstinenzler kennzeichnet.
    Die allbekannte Geschichte seiner Umkehr war in den mehr puritanischen Kreisen und unter ihren Predigern geläufig, jene Geschichte, da er noch fast ein Knabe von schottischer Theologie zu schottischem Whisky überging, wie er sich beiden entwunden und, wie er in seiner Bescheidenheit zu sagen pflegte, das wurde, was er war. Und dennoch machte sein breiter, weißer Bart, sein kindlich frohes Gesicht und die glänzende Brille es auf den zahllosen Festessen und Versammlungen, wo er erschien, schwer glaubhaft, daß er sich jemals soweit vergessen hatte, ein Trunkenbold zu sein. Ihm eignete, man fühlte es, der gesundeste Frohsinn unter allen Menschenkindern.
    Er wohnte am äußersten Rande von Hampstead in einem hübschen Hause, wohl hoch, aber nicht breit, einem richtigen modernen und prosaischen Turme. Die schmalste der schmalen Seitenmauern erhob sich über dem steil abfallenden Grasdamme einer Bahnlinie, deren vorübereilende Züge sie erbeben machten. Sir Aaron Armstrong
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