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PR2606-Unter dem Stahlschirm

PR2606-Unter dem Stahlschirm

Titel: PR2606-Unter dem Stahlschirm
Autoren: Hubert Haensel
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Schritt zur Seite ausgewichen und in eines der Netze geraten. Mit beiden Armen um sich schlagend, versuchte er, sich von dem hauchzarten Gespinst zu lösen, verstrickte sich aber nur weiter darin. Bis Pifa entschlossen zupackte und das feine Gewebe ruckartig zerriss.
    Ein fahles Aufblitzen zuckte durch die Reste des zerstörten Netzes. Winzige Lichtpartikel schienen aufzuglimmen, hinter manchen filigranen Vorhängen flackerte großflächiges Wetterleuchten.
    Die Lichtfülle weitete sich aus, selbst weit entfernt schimmerte noch fahler Widerschein. Sehr schnell ebbte die Erregung der Gespinste aber wieder ab.
    »Was ist das?« Shimco Patoshin zeigte auf die eiförmigen Gebilde, die in dem Spiel von Licht und Schatten sichtbar geworden waren.
    Wie Knoten hingen sie inmitten der Geflechte. Manche nur wenige Meter groß, andere im Vergleich gigantisch; womöglich durchmaßen sie sogar mehrere Kilometer. Nur für einen flüchtigen Moment fragte sich die Expeditions-Kommandantin, wie es überhaupt möglich sein konnte, dass sie diese gewaltige Ausdehnung überblickte.
    Sie fühlte eine tiefe Ruhe in sich aufsteigen, einen Hauch von Geborgenheit. Um zu erkennen, dass Tausende Verdickungen den zarten Schimmer durch das Netz schickten, musste sie sich nicht weiter umsehen. Viele Knoten hingen einsam in dem Geflecht, andere glichen Perlen an einer Kette, waren geradezu sorgsam hintereinander aufgereiht.
    »Wenn wir jeden Lichtschimmer als eine Fülle von Informationen ansehen ...«, hörte die Irmdomerin Pifa leise sagen.
    Ja, warum nicht?
    Konnte es sein, dass alles das zu ALLDARS Archiv gehörte? Lagerte hier das Wissen von Äonen? Daten, Geschehnisse, Veränderungen aus der Urzeit des Universums?
    Jenke ging auf einen der eiförmigen Knoten zu, der nur wenige Meter entfernt im Netz hing. Das Gebilde zitterte leicht, als der Boden schwankte. Es war kühl und glatt, das spürte Jenke deutlich über die Mento-Rezeptoren der SERUN-Handschuhe. Mehr war nicht. Die Berührung erzeugte keine Reaktion. Weder entdeckte die Irmdomerin einen wie auch immer gestalteten Öffnungsmechanismus, noch sprang etwas auf sie über. Der Knoten veränderte auch seinen zart fluoreszierenden Schimmer nicht mehr.
    Ruckartig wandte Jenke sich wieder um.
    Etwas stimmte nicht. Ihre Gefährten standen im Halbkreis um sie, und ihre Blicke verrieten allzu deutlich, dass sie auf eine Antwort warteten.
    »Und?«, drängte Pettazzoni. »Sag schon! Was hast du herausgefunden?«
    »Was soll ich in ein paar Sekunden ...?« Sie zögerte, biss sich auf die Unterlippe.
    »Du hast beinahe zehn Minuten bewegungslos da gestanden«, sagte Pifa. »Was war los?«
    »Nichts. Absolut gar nichts. Falls das wirklich ALLDARS Archiv ist, habe ich keine Ahnung, wie wir darauf zugreifen könnten.«
    Zehn Minuten?, fragte sie sich. Sie hatte es bestimmt nicht so wahrgenommen.
    Jenke fröstelte.
    Eine einfache, wenngleich keineswegs alltägliche Erkundungsmission, so hatte sich der Flug der VAHANA angelassen. Nun nahm das alles eine Dimension an, vor der die Kommandantin unbewusst Scheu empfand.
     
    *
     
    Schier endlos erstreckte sich das dichte Gespinst mit seinen teils gewaltigen eiförmigen Knoten. Womöglich war ganz Shath damit ausgefüllt – ein enormes Archiv aus grauer Vorzeit.
    Lagerte an diesem Ort das Wissen über die Entstehung der ersten Superintelligenzen? Über ihre Weiterentwicklung zu Materiequellen und Materiesenken, zu Kosmokraten und Chaotarchen? Gab es womöglich Beweise für eine der vielfältigen Theorien, die Jenke während ihrer Ausbildung gelernt und teils sogar gehasst hatte? Manches war ihr so abwegig irrational und abgehoben erschienen, dass sie sich schlichtweg diesem Überwesenkram verweigert hatte.
    Nachdenklich schaute sie zu der ins Netz eingewobenen großen Landmasse. Eine Insel, so schien es ihr, mit mehreren Kilometern Ausdehnung. Das einzige Gebilde dieser Art, so weit sie sehen konnte.
    Ein schlichtes Tor stand da. Zwei frei stehende Pfeiler, die hölzern wirkten, poliert, ungefähr fünf Meter voneinander entfernt. Auf ihnen ruhte ein Querbalken in gut fünf Metern Höhe.
    Dieses Tor schien Jenke wie eine unausgesprochene Einladung, hindurchzugehen. Während sie an den Seiten und darüber überall die feinen Gespinste und ihre eiförmigen Verdickungen sah, lag hinter dem Tor ...
    ... das Nichts. Sie musste den Raum zwischen den Balken schon genau fixieren, um wenigstens ein zartes Wallen der Luft zu erahnen.
    »Wohin führt das Tor?«,
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