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PR2606-Unter dem Stahlschirm

PR2606-Unter dem Stahlschirm

Titel: PR2606-Unter dem Stahlschirm
Autoren: Hubert Haensel
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nicht, was sie sah und wer die Gestalten waren, die sich über sie beugten. Abwehrend hob sie die Arme.
    Nur zwei Arme? Was ist mit den vielen anderen?
    Etwas umklammerte ihr die Handgelenke. Sie bäumte sich auf und wollte sich losreißen, da spürte sie im Nacken eine Berührung. Das kurze Zischen, das sich bösartig in ihr Ohr schlich, quittierte sie mit einem wilden Kopfschütteln.
    »Das Schlimmste wird gleich überstanden sein, danach geht es dir wieder besser!«
    Widerwillig lauschte sie der Stimme, in der etwas Vertrautes mitschwang. So vertraut wie das Toben des Schneesturms auf den Bildflächen. Eine der Projektionen zeigte ein graues Etwas, das aus dem Eis hervorbrach wie eine sich entfaltende Blüte ...
    »Ich habe dir ein Beruhigungsmittel injiziert. Nur ein paar Sekunden bevor dieses ... dieses Biest den SKARABÄUS packte, hast du wie ein Tier losgebrüllt.«
    Stumm schaute sie den Sprecher an. Er war nicht groß und zudem keineswegs schlank. Das Haar hing ihm wirr in die Stirn, und als er sich anscheinend unschlüssig mit der flachen Hand übers Gesicht fuhr, protestierte sein Dreitagebart mit einem kratzenden Schaben.
    »... losgebrüllt?« Jenke hatte Mühe, ihre Erinnerungen zurückzuholen. »Für einen Moment glaubte ich, da draußen zu sein ...« Sie redete stockend, zog die Arme an ihren Oberkörper und krallte die Finger in die Schultern. »Ich habe Hunger gespürt ... die Beute gewittert.«
    Cyrus Smith, der Logistiker der Expedition, schürzte die Lippen. Es wirkte unschlüssig, wie er die Injektionskanüle zwischen den Fingern drehte.
    In der gleichen Sekunde wurde der SKARABÄUS hochgeworfen und schwer erschüttert. Ein unheilvolles Knirschen begleitete den Aufschlag, als würde die Außenhülle eingedrückt. Bevor das Schiff mit leichter Schräglage zur Ruhe kommen konnte, wurde es erneut angestoßen. Ein Meer von Warnanzeigen leuchtete, aber es gab keine bemerkenswerten Schäden. Der SKARABÄUS war und blieb eines der robustesten Arbeitstiere der Flotte, auch und vor allem in diesen Tagen, da sich hochgezüchtete Technologie einmal mehr als höchst anfällig erwiesen hatte.
    Ein schweres Dröhnen hallte durch das Schiff.
    Jenke wandte sich zu den Favadarei um. Die drei dürren, hochgewachsenen Gestalten klebten geradezu auf ihren Sesseln. Sie hatten Angst, natürlich. Wahrscheinlich fürchteten sie weniger, ihr Leben zu verlieren, als ihr Ziel nicht zu erreichen.
    Das Dröhnen wurde zum wütenden Hämmern.
    Auf einem der Schirme sah Jenke Schousboe etwas wie einen bleichen Schädel und inmitten zuckender Körpermasse den Ansatz eines mannsgroßen kantigen Schnabels. Die Bewegung verwischte hinter aufgewirbeltem Schnee und Eis, gleich darauf ließ ein neuer wuchtiger Schlag das Schiff beben.
    Die Bildschirme der normaloptischen Außenbeobachtung verdunkelten sich. Gewaltige Hautlappen klatschten heran und saugten sich offenbar am Rumpf fest. Der SKARABÄUS wurde erneut angehoben und wieder losgelassen. Nur ein paar Meter Fallhöhe diesmal, kaum mehr, dennoch bestand kein Zweifel, dass der Angreifer versuchte, das Schiff aufzubrechen.
    Wie ein Vogel, der immer wieder und wieder nach einem großen Käfer hackt. In Jenkes Vorstellung setzte sich genau dieses Bild fest. Vergeblich versuchte der Käfer zu fliehen. Die Schnabelhiebe wurden härter, bis es dem Vogel endlich gelang, seine Beute auf den Rücken zu werfen.
    Jenkes Hauptsorge galt dem FATROCHUN-Netz aus verschiedenen Metalldrähten, das die gesamte VAHANA überzog, an allen Kreuzungspunkten und teilweise auch dazwischen durchsetzt mit den seltsamen blauen Kristallen der Favadarei. Unter dem Strich entsprach es einem hyperphysikalischen Faraday'schen Käfig für die Entladungen aus dem Potenzialfeld, das für die technischen Ausfälle zuständig war. Ohne dieses Netz ...
    »Was ist mit dem Schutzschirm?«
    Jonas machte eine fahrige Handbewegung. »Kein Schutzschirm, kein Desintegrator, einfach nichts.«
    Die Expeditions-Kommandantin fuhr mitsamt ihrem Sessel herum. Sie fixierte die Favadarei. »Shimco, Kulslin, Blaspa: Was ist das da draußen? Wie werden wir damit fertig?«
    Unaufhörlich dieses Dröhnen. Der Angreifer hackte auf die Verbindung zwischen Kernzelle und Kommandokugel ein. Das war ungefähr so, als packte Jenkes imaginärer Vogel den Käfer unmittelbar am Kopfansatz.
    »Was ist, hat es euch die Sprache verschlagen? Bis zum Sonnenuntergang sind es noch eine oder zwei Stunden, also kein Grund, jetzt schon zu
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