PR TB 219 Bote Des Unsterblichen
dramatischen Umständen entflohen
war. Er hatte sich bewußtlos gestellt, bis er sicher war, daß
sein Vorhaben glücken werde. Dann war er aufgeschnellt, hatte
die neugierigen Techniker beiseite geschleudert und war durch den
Schacht entkommen.
Dem Boten des Unsterblichen war es so recht; aber Nerquin machte
ein verdrießliches Gesicht. „Jetzt haben wir niemand
mehr, den wir ausfragen können“, brummte er.
„Das ist vielleicht besser so“, tröstete ihn
Hors-Tanathor. „Wenn der Anschlag wirklich von Erequoth
ausging, woran ich nicht zweifle, dann hätte er uns den
Gefangenen nicht gelassen. Er hätte ihn befreien müssen,
und dabei wären womöglich auch deine Leute zu Schaden
gekommen.“
„Was tun wir jetzt?“ fragte Irica mutlos.
In diesem Augenblick erhob sich Sikkim. Schwanzwedelnd begab er
sich zu seinem Lieblingsplatz hinter der Tür und legte sich dort
nieder. Für Hors-Tanathor bedeutete dies, daß die Sonde
zurückgekehrt war. Er besaß jetzt die Informationen, die
er brauchte, um eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Sikkim
selbst diente ihm als Projektor der gespeicherten Aufzeichnung. Aber
er wollte Nerquin und Irica die einzigartigen Fähigkeiten des
Hundes nicht preisgeben.
„Ich schlage vor“, sagte er, „du verbringst den
Rest der Nacht bei Nerquin. Nerquin, welche Anweisungen hast du für
einen Vorfall wie diesen?“
„Ich muß dem Anführer Meldung erstatten“,
antwortete Nerquin mit unverkennbarem Mißbehagen. Hors-Tanathor
glaubte zu wissen, was ihn drückte. Er hatte Irica, Erequoths
Braut, bei sich in der Wohnung, und Erequoth war der Anführer.
„Das hat bis morgen Zeit“, erklärte er. „Die
Lampen in den Gängen und Schächten sind schon fast
erloschen. Man darf annehmen, daß der Anführer der Ruhe
pflegt.“
Nerquin starrte unglücklich vor sich hin. „Das kann so
oder so ausgehen“, meinte er. „Wenn Erequoth die Sache
für wichtig hält, wird er mir den Kopf abreißen, weil
ich mich so spät bei ihm melde. Es sei denn...“ Er
bedachte Hors-Tanathor mit einem hoffnungsvollen Blick.
„Ich bin bereit, dir zu helfen“, erriet der Bote des
Unsterblichen die unausgesprochene Frage. „Aber denk doch
einmal nach. Erequoth selbst hat das Attentat veranlaßt. Wird
er böse sein, wenn ihm zu spät darüber Meldung
erstattet wird?“
„Nein, ihm wäre wahrscheinlich am liebsten, er hörte
nie wieder davon.“
„Eben“, sagte Hors-Tanathor. „Also mach dir
keine unnötigen Sorgen. Zieh dich in dein Quartier zurück
und nimm Irica mit dir. Ich möchte sie vorläufig Erequoth
fernhalten. Bleibt wach. Es kann sein, daß ich noch einmal mit
euch sprechen muß, falls ich etwas Wichtiges erfahre.“
Sie machten sich auf den Weg. Unter der halb zertrümmerten
Tür blieb Nerquin noch einmal stehen. „Ist es wahr, daß
dein Hund spricht, wie Irica sagt?“
„Selbstverständlich. Alle Hunde sprechen.“
Nerquin musterte das Tier mit fasziniertem Blick.
„Könnte er... könnte er es mir einmal vormachen?“
fragte er zaghaft.
„Es gibt keinen Grund, warum er das nicht sollte“,
antwortete Hors-Tanathor amüsiert. „Aber sei nicht
enttäuscht. Irica hat wahrscheinlich ein bißchen
übertrieben.“
Er wandte sich an Sikkim.
„Wie spricht der Hund?“
„Waff“, machte Sikkim.
Es war etwa eine Stunde später, als in Nerquins Quartier der
Türsummer ertönte. Der nächtliche Besucher war
Hors-Tanathor. Sikkim folgte ihm auf dem Fuß. Am Gesicht des
Fremden erkannte Nerquin, daß er schlechte Nachrichten brachte.
Irica kam aus einem Nebenraum und musterte ihn ängstlich.
„Steht es schlimm?“ fragte Nerquin besorgt.
„Entscheide du selbst“, sagte Hors-Tanathor. „Es
steht jetzt fest, daß der Anschlag von Erequoth ausging - als
ob jemals einer daran gezweifelt hätte. Aber schlimmer noch:
Erequoth weiß, daß Irica sich hier befindet. Und er ist
außer sich.“
Irica wurde aschfahl. „Das läßt er mich büßen!“
stieß sie hervor. „Aber wie kann... Hat uns jemand
verraten?“
„Einer der vier Attentäter sah dich, als er aus dem
Schacht kam. Es war nicht besonders klug, um diese Zeit noch einmal
auf den Gang herauszukommen.“
„Ich wollte sie daran hindern“, beteuerte Nerquin,
„aber sie ließ sich nicht...“ Hors-Tanathor winkte
ihm zu schweigen. „Das ist jetzt nicht mehr wichtig. Von
Bedeutung ist, daß nicht nur Irica Erequoths Zorn zu spüren
bekommen wird, sondern auch du. Ich rechne damit, daß er die
Quartiere der
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