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PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht

Titel: PR NEO 0053 – Gestrandet in der Nacht
Autoren: Oliver Plaschka
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erkunden«, begann ich. »Ja, es gab eine Zeit, als meine Vorfahren noch zur See fuhren und sich fragten, wie weit entfernt der Horizont wirklich war. Wir waren nicht anders als Sie.«
    Rhodan hing gebannt an meinen Lippen.
    »Er erlebt viele Abenteuer und meistert viele Gefahren, doch die Reise wird von Katastrophen überschattet, bis am Ende nur noch er allein übrig ist. Schließlich erreicht er sein Ziel, wagt den Schritt in das Nichts und erhält Antworten auf seine Fragen – doch es bedeutet ihm nichts mehr. Seine Gedanken sind die ganze Zeit bei seiner Geliebten, die er zu Hause zurückließ. Der Gedanke an sie hält ihn am Leben.«
    Ich überlegte. »Der Bekanntheitsgrad dieses Buchs war zu meiner Zeit ähnlich dem Ihrer Odyssee. Die Sprache, wenn ich den Vergleich wagen müsste, ähnelt aber eher der Ihrer Romantiker.«
    »Sie können es lesen?«, vergewisserte er sich. »Trotz seines Alters?«
    »Sicher kann ich das. Natürlich gab es einige Lautverschiebungen, viele Ausdrücke wirkten damals schon archaisch ...«
    »Ich finde es bemerkenswert, wie wenig sich manches doch ändert, auch nach so vielen tausend Jahren.«
    »Die Buchstaben, die Sie gebrauchen, sind fast dreitausend Jahre alt, und das Lateinische findet unter manchen Gelehrten bis heute Verwendung. Die Segelschiffe, die Sie zum Vergnügen fahren, gehorchen denselben Prinzipien wie die der alten Inder oder Ägypter. Plus ça change, wie die Franzosen sagen. Manche Dinge bleiben sich gleich – vielleicht auch, weil die Leute es einfach so wollen.«
    »Da haben Sie sicher recht. Leider stehe ich mit meinen Studien selbst des zeitgenössischen Arkonidischen noch ganz am Anfang. Es gibt wohl kaum eine Version dieses Gedichts in Interkosmo oder besser noch auf Englisch?«
    Ich schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich könnte Ihnen ein paar der bekannteren Strophen übertragen, aber ich warne Sie: Es verliert.«
    »Bitte«, sagte er.
    Und schon hat dieser Mensch geschafft, um was Crysalgira dich jahrelang vergeblich bat, spottete mein Extrasinn. Du trägst ihm Poesie vor.
    Sei bloß still!, dachte ich bei mir und blätterte ans Ende des Buchs, wo der Held dem Leser noch einmal den Beginn seiner Reise ins Gedächtnis rief.
     
    An Jahren jung, des vollen Lebens reich
    dereinst auf dieses Schiff ich kam, das bald
    mein einzig Heim sollt' sein; allein, verlor'n
    in dieser langen Nacht bar deiner Huld.
     
    Der Heldentaten reich, an Jahren arm,
    den Heimweg lang verlor'n, blick ich zurück
    und denk an deinen Duft in jener Nacht,
    die du und ich gemeinsam einst gekannt ...
     
    »Das hätte Deborah gefallen«, murmelte Rhodan. »Sie hatte eine Schwäche für Helden.«
    Ich konnte mit dem Namen nichts anfangen, doch er ging nicht näher darauf ein. »Ich verstehe, weshalb Sie auf ihn geschossen haben«, sagte er stattdessen. »Im Garten Crysalgiras. Habe ich Ihnen das schon gesagt? Ich verstehe es sehr gut.«
    Natürlich meinte Rhodan damit den Regenten – oder seinen Doppelgänger. Ich hatte mit ansehen müssen, wie er Crysalgiras Grabmal entweiht und ihren Leichnam mit seinem Desintegrator zerstrahlt hatte. Rasend vor Wut hatte ich ihn erschossen. Meine Gefährten hatten mich daran zu hindern versucht, doch vergebens.
    »Es hat zu einigem Aufruhr im Artekh-System geführt, auf den wir gut hätten verzichten können«, räumte ich ein.
    »Wir werden uns immer neue Feinde machen, je tiefer wir in den Weltraum vorstoßen«, wehrte er ab. »Wir werden aber auch immer neue Freunde gewinnen. Crest und Sie sind das beste Beispiel dafür.«
    Und Sie werden auch immer wieder Freunde verlieren, dachte ich bitter. Crest war bei Hela Ariela von einem Trio unithischer Schatzjäger entführt worden, und die Chancen, ihn je lebend wiederzusehen, waren gering. Auch dieses Gefühl war mir nicht unbekannt.
    Lass ihn!, mahnte mein Extrasinn abermals. Er hat dich gerade einen Freund genannt.
    Ich nickte stumm.
    »Oder nehmen Sie diese Rudergängerin!«, fuhr Rhodan fort. »Ich frage mich immer noch, ob diese seltsame Verkettung von Umständen, der wir unsere Rettung auf Artekh-17 verdanken, ein Zufall war.«
    »Seien Sie vorsichtig mit ihr!«, riet ich ihm. Die Erlebnisse auf Ghewanal waren Rhodan noch eine Weile nachgegangen, und tatsächlich war es eine glückliche Fügung gewesen, dass Ihin da Achran uns einen Platz in ihrem Tross zugewiesen hatte. Dennoch traute ich dieser extravaganten Frau mit dem weißgoldenen Haar nicht. »De facto hat sie uns keine andere Wahl
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