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PR NEO 0037 – Die Stardust-Verschwörung

PR NEO 0037 – Die Stardust-Verschwörung

Titel: PR NEO 0037 – Die Stardust-Verschwörung
Autoren: Christian Montillon
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steigt aus dem diffusen Nichts in meine Träume. Sie ist viel lebendiger, glühender, und sie kitzelt mich näher ans Erwachen heran.
    »Atlan«, haucht sie. »Was für ein seltsamer Name.« Sie kichert, und ich frage mich, warum ich mich dazu habe hinreißen lassen, meinen echten Namen zu nennen.
    Sie macht mich ganz verrückt. Es ist, als würde sie mir den Verstand aussaugen. Mein Gedankenbruder setzt zu einem spöttischen Kommentar an, aber ich unterdrücke ihn schon im Ansatz – ich habe weitaus Besseres zu tun.
    »Lisa del Giocondo ist ebenfalls recht klangvoll, meine Verehrteste«, schmeichle ich. Sie kommt näher, und ich weiß nicht, was reizvoller ist: ihr nackter Körper oder ihr geheimnisvolles Lächeln. Ihre Haut fühlt sich warm an, warm wie das Blut des Soldaten, das aus seinem zerfetzten Kehlkopf direkt in mein Gesicht spritzt. Das Schwert durchbohrt seinen Leib von schräg oben, und die Klinge reißt auch mir noch eine kleine Wunde, ehe ...
    Ich fühle den Schmerz sogar im Traum, die Assoziationen vermengen sich und wirbeln die Bilder der Erinnerungen durcheinander. Lisa del Giocondo und die bestialische Schlacht gegen das römische Heer liegen jahrhundertelang auseinander. Vielleicht ist der Verstand eines Arkoniden nicht dafür geschaffen, solche Zeiträume zu durchleben, genauso wenig wie der eines Menschen dieser Welt, auf der ich seit Tausenden von Jahren festsitze.
    Mit diesen Gedanken wache ich auf, und die Erinnerung an die nackte, geheimnisvolle Frau verweht ebenso wie die an den Tod und die Schreie der Verwundeten auf dem Schlachtfeld.
    Stattdessen schaut mich ein Gesicht an, das allzu vertraut ist. »Du bist wach«, sagt Rico, mein treuer Begleiter. Er ist getarnt, sieht aus wie ein Mensch der Erde, aber ich erkenne ihn sofort. Seine Augen sind braun. Haselnussbraun. Er lächelt. »Das ist gut.«
    Ich höre die Worte nur diffus und verschwommen, als wären sie ein halber Traum. »Wie lange?«, versuche ich zu sagen, doch meine Lippen sind so trocken, und es sticht in meinem Hals. Ich gebe nur einen krächzenden Laut von mir.
    Rico versteht mich trotzdem, weil er mich kennt. Seit Jahrtausenden. »Du hast vierundsiebzig Jahre geschlafen«, sagt er. Irgendetwas stimmt daran nicht, und das ...
     
    ... riss mich endgültig aus dem Schlaf. Ich setzte mich auf, zu schnell nach der langen inaktiven Phase. Mein Kreislauf revoltierte, dunkle Flecken tanzten mir vor den Augen. Mir wurde übel, ich musste würgen, und bittere Magensäure brannte mir in der Kehle. Hastig schluckte ich, und ich hatte viel zu wenig Speichel, um das Brennen loszuwerden.
    Ruhig, alter Narr!, verlangte mein Gedankenbruder. Mach langsam! Bist du nicht oft genug hier in deiner Schlafkammer erwacht, um zu wissen, dass sich dein Körper erst an das Erwachen anpassen muss?
    Doch, das war ich. Ungezählte Male. Aber an manches gewöhnte man sich eben nie, wenn man kein Roboter war. Wie Rico, der zugleich viel mehr als das war. Das Rätsel, das ihn umgab, hatte ich auch in Jahrtausenden nicht lösen können. Aber eins wusste ich: Er war mir ein wertvoller Begleiter.
    Rico war tatsächlich perfekt getarnt, sah aus, als wolle er sofort aufbrechen, um sich unter die Menschen zu mischen.
    Oder als wäre er schon dort gewesen.
    Er trug eine alt und verwaschen aussehende Hose aus dunkelblauem Stoff, die eng an seinen Beinen lag. Im Gegensatz dazu schlackerte ein dunkelrotes, ärmelloses Shirt um den Oberkörper.
    Der Roboter stand zwischen mir und der zweiten Kälteschlafliege in dem engen Nebenraum, der zu meiner Geheimkammer in der unterseeischen Kuppel vor den Azoren gehörte. Die Kälte meines langen Schlafes wich nur langsam aus meinen Gliedern. Stumm hielt er mir einen Becher hin. Ich nahm ihn und trank vorsichtig von dem klaren, köstlichen Wasser. Es belebte die Zunge und spülte die saure Wunde in meinem Hals davon. Am liebsten hätte ich alles gierig ausgetrunken, aber ich riss mich zusammen. Ein Tropfen perlte auf meiner Lippe.
    Es kitzelte, und es kam mir vor, als hätte ich etwas so Wundervolles seit Jahren nicht mehr empfunden. Genau so war es auch. Die Luft roch frisch und nach einem Hauch von vergangenen Abenteuern. Ich bewegte die Finger. Die Muskeln schmerzten, es knackte leise. Die Vielzahl der Sinneseindrücke überwältigte mich schier. Kein Wunder, denn ich hatte seit 74 Jahren nichts mehr empfunden.
    »Warum hast du mich jetzt schon geweckt?«, fragte ich, denn es war exakt ein Jahr zu früh; normalerweise
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