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PR Lemuria 02 - Der Schläfer der Zeiten

PR Lemuria 02 - Der Schläfer der Zeiten

Titel: PR Lemuria 02 - Der Schläfer der Zeiten
Autoren: Hans Kneifel
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Neutrino-Fangnetzen der Paarvernichtung wurde ein schwacher Schutzschirm über der Kuppel aufgebaut, der das Durchschlagen kosmischer Teilchen und Mikrometeoriten verhinderte; der einzige, über den das Schiff verfügte.
    Rotation und Schwerkraftbedingungen ließen nur alle 49 Sekunden zu, den Bereich vom Schiff-Quadranten Nord-Weiß aus gefahrlos zu betreten oder zu verlassen. Der zylindrische Stahlkörper der Kommandoeinheit drehte sich gegenläufig binnen 49 Sekunden zur Rotation der Arche. »Unten« blieb stets »unten«. Alle Kommunikationskanäle arbeiteten auf der Basis von Funkwellen, Infrarot-und Positronentechnik; die Energie wurde über Schleifring-Anlagen transportiert. Sauerstoffreiche Luft, von Oasenpflanzen erzeugt, kam aus Tausenden kleiner Düsen in den Raum.
    »Kann die Rotverschiebung schon neutralisiert werden?«
    »Ich arbeite daran«, erklärte das Gespinst halbsprachlich. »In drei
    Stunden verfüge ich über ausreichende Informationen.«
    Atubur Nutai hörte zu und deutete die Piktogramme. Er lag entspannt im Sphärensessel des Kommandanten und genoss die Stille und die Sarderflüssigkeit, mit der er sich intravenös ernährte; die Suspension, durch dünne Schläuche in seinen Kreislauf gepumpt, ließ auch heute alle Zellen prickeln, stimulierte sein Gehirn und erfüllte ihn, indem sein Herz kräftiger schlug, mit Hochstimmung. Er konnte sie brauchen. Seine letzte Medrovir-Behandlung lag zu viele Jahre weit zurück.
    Noch gab es kein Entspannen, keine Zeit für Chibis-Nydele; Entscheidungen von überlebenswichtiger Notwendigkeit mussten getroffen werden. Minutenlang starrte Atubur Nutai das helle, blauviolett strahlende Gestirn an, das rund zwei Lichtmonate voraus lag. Die »Rotverschiebung« hatte alle Sterne in der Flugrichtung für die Augen der Lemurer blauviolett gefärbt und ihr Licht nach Ultraviolett verschoben. Das Sternenspektrum würde sich während des Bremsvorganges wieder zur entgegengesetzten Hälfte des Spektrums verschieben und schließlich die richtigen Farben und Werte wiedergeben; die Schiffsrechner versorgten die Bildschirme mit den tatsächlich ermittelten Werten.
    Schließlich entschloss sich der hagere, uralte Lemurer, etwas zu tun. Es war, als erwache er mühsam aus einer Schwächestarre. Er legte die Hand auf die rot pulsierende Schmuckhülle des Zellaktivators, zog das Mundstück der Fluidversorgung aus dem Ventil der Schlagader, holte tief Luft und wartete, bis ein Mikrophon vor sein Kinn eingeschwenkt war. Seine braunen Spinnenfinger tippten auf einige glimmende Flächen in der Armlehne, dann kippte er mit methodischer Langsamkeit eine Reihe klobiger Schalter in die Gegenposition.
    Er begann zu reden; in sämtlichen Kabinen, Korridoren, Gärten und jedem Raum, in dem Atemluft zirkulierte, war seine tiefe, heisere Stimme zu hören.
    »Sternsucher Nutai spricht. Ich wende mich an die Besatzung des Schiffs. An alle, auch an die Kranken, die mich noch verstehen können. Vor einigen Stunden ist der Rat zusammengetreten. Wir sind uns einig geworden, dass ohne gemeinsames und entschlossenes Handeln unsere zusammengeschmolzene Gemeinschaft in wenigen Jahrzehnten ausgelöscht sein wird.«
    Obwohl die schweren, von Einschlägen kosmischer Partikel zernarbten Schutzvorrichtungen quälend langsam von den Triebwerksöffnungen glitten, erschütterte ein lang anhaltendes Krachen und Nachdröhnen den rotierenden Stahlkörper. Jeder Schläfer wurde aus seinen Träumen gerissen, jeder Kranke vergaß seine Albträume. Atubur Nutai brauchte nicht auf das Gebrest, die Krankheit hinzuweisen, von der die Lemurer des Schiffs buchstäblich dezimiert worden waren. Die Besatzung, die damals an Bord gegangen war, hatte 10.000 Köpfe gezählt; jetzt lebten nur noch 1000 in der »Hoffnungsstern«. Viele von ihnen waren krank, und von den wenigen Kindern wurde die Hälfte verkrüppelt geboren; nach kurzem, qualvollem Leben starben sie lautlos und ausgezehrt.
    »Seit zwei Generationen leben in der LEMCHA OVIR nur noch etwa fünfhundert Frauen und Männer, unsere Be'ketren, die über stabile Gesundheit und die Parafähigkeiten verfügen, die unser winziger Schutzschirm und die Neutrino-Anlagen brauchen.«
    Auch aus diesem Grund hatten der Kommandant und die Räte, die gewählten Ältesten der letzten und gegenwärtigen Generation, einen weitreichenden Entschluss gefasst: Die vier Quadranten waren luftdicht voneinander abgeschottet und energetisch selbständig geschaltet worden; das Betreten der
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