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PR Andromeda 06 - Die Zeitstadt

PR Andromeda 06 - Die Zeitstadt

Titel: PR Andromeda 06 - Die Zeitstadt
Autoren: Ernst Vlcek
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Rechner konnte keine menschliche Intuition ersetzen. Dabei waren gerade die zwei Funkingenieure schon vorher im Dauereinsatz gewesen.
    Die Welt ist eben ungerecht, dachte Zim, während er die JOURNEE über die SERT-Verbindung instinktiv durch kleinste Anomalien des Raum-Zeit-Gefüges manövrierte. Außer natürlich, jemand wie der Gelbe Meister übernimmt das Kommando. Dann sind alle gleich. Gleich hirntot. Und das ist auch keine Alternative.
    Bis Taupan waren es 6342 Lichtjahre. Eigentlich ein Katzensprung, den sie in weniger als einer Stunde zurücklegen konnten, ohne die Überlichttriebwerke des Spürkreuzers auf Volllast zu strapazieren; immer vorausgesetzt, es kam nichts dazwischen. Solange der Hyperraumflug regulär verlief, war hier in der Zentrale außer für den Piloten und die Orter nicht viel zu tun. Dennoch hielt die grimmig vor sich hin brütende Vorua Zaruk die Stellung an ihrem Feuerleitstand. Tess Qumisha hingegen hatte die Wissenschaftsstation, der auch die Betreuung des Hauptrechners oblag, an Bi Natham Sariocc übergeben und sich mit Benjameen da Jacinta in ihre neuerdings wieder gemeinsame Kabine zurückgezogen. Kurz darauf hatten auch Rhodan und Kiriaade die Zentrale verlassen.
    Klar, dachte Zim. Die Pärchen wollen unter sich sein, so lange sich noch Zeit dazu bietet. Schließlich könnte es das letzte Mal sein.
    Doch die Welt - und das Leben - war ungerecht: Raye musste allein in ihrer Kabine ausharren. Und das würde leider auch so bleiben, denn Zim war unabkömmlich. Außer ihm konnte niemand das Schiff mit reiner Gedankenkraft steuern. Selbstverständlich gab es andere Piloten, die mit den gewöhnlichen Kontrollen arbeiteten, und sicher nicht schlecht. Aber ihre Reaktionszeiten kamen an seine nicht annähernd heran. Und in Krisensituationen konnte genau das den entscheidenden Unterschied ausmachen.
    Deshalb saß er jetzt statt bei seiner Liebsten hier unter der SERT-Haube, die ihn zum Nervenzentrum des Schiffes machte, und mühte sich wacker, seine Gefühle zu unterdrücken.
    Super, dachte er ironisch: Wahrscheinlich heißt es darum »Emotionaut«.
    »Ich muss mich noch rasch rasieren«, sagte Rhodan unbeholfen und verschwand in der Hygienezelle. Nur um den Kopf gleich darauf wieder herauszustrecken: »Entschuldige, ich bin ein entsetzlicher Gastgeber. Möchtest du etwas trinken? Oder essen? Als du das letzte Mal ... an Bord warst, hast du ganz schön zugelangt.«
    Sie lächelte. »Keine Sorge. Ich kann mir jederzeit etwas über den Servo ordern. Beeil dich, Rhodan! Ich will mit dir reden, mich mit dir austauschen.«
    Er starrte sie kurz an, dann zwinkerte er ihr zu und schloss die Tür hinter sich.
    Rasieren, dachte sie. Körperpflege. Körperlichkeit. Welch seltsame Daseinsform ...
    Erstaunlicherweise konnte sie sich noch daran erinnern.
    Wenn auch nicht sehr gut, nur verschwommen. Als sie erstmals leiblich in der JOURNEE materialisiert war, am 5. April der hier an Bord verwendeten Zeitrechnung, hatte sie großen Spaß daran gehabt, diese so sehr der Schwerkraft und dem Stoffwechsel verhafteten Intelligenzwesen zu beobachten. Mit Sympathie, mitnichten nur als Studienobjekte; sie war sich ihrer »Abstammung« immer bewusst gewesen. Auch ihre eigene wieder gewonnene Physis hatte sie fasziniert. Und aus dem ursprünglich distanzierten Forschungsdrang war rasch so etwas wie Lust geworden.
    Vor allem die Sinneswahrnehmungen ...
    Wie simpel, wie rudimentär sie sich doch gegen die ungleich komplexeren, höherdimensionalen Eindrücke ausnahmen, die der Nukleus in jeder Millisekunde zu Tausenden empfing! Allerdings wohnte dieser Eingeschränktheit auch ein eigenartiger Reiz, ja sogar eine gewisse Qualität inne.
    Dermaßen wenige Farben zu sehen, nur einen Bruchteil der Töne zu hören, kaum etwas zu riechen, kurz: nur so wenige Informationen über die Umwelt entschlüsseln zu können das brachte umgekehrt auch eine Aufwertung jeder einzelnen Wahrnehmung mit sich. Die schlichtesten, billigsten Vergnügungen wurden dadurch intensiviert, verstärkt und geradezu ins Groteske verzerrt.
    Ganz besonders galt das für den Geschmacks- und Tastsinn. Beim Genuss mancher Gerichte und Getränke, die Schiffskoch Jeremiah Hutkin ihr kredenzt hatte, hatte sie lauthals loslachen müssen; andere Geschmacksrichtungen wiederum hatten sie geradezu erschreckt. Die bunte, klebrige Süße eines attorischen Schmatzfruchtsalats hatte sie verwirrt und eigentümlich melancholisch werden lassen. Als sie einen Bissen
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