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PR 2706 – Sternengrab

PR 2706 – Sternengrab

Titel: PR 2706 – Sternengrab
Autoren: Michael Marcus Thurner
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die Hauptpositronik da? Sie war dank ihres Bioplasma-Anteils nicht frei von Emotionen und hatte mitunter seltsame Anwandlungen gehabt. Doch nun klang sie resigniert. So als interessierte sie das Leben an Bord der JULES VERNE nicht mehr.
    Für einen Moment herrschte Ruhe. Es war, als ginge die Zeit verloren, als stünde alles still. Bull überkam eine seltsame Ruhe. Ilz Namib, wieder in seltsamer Starre versunken, ging im Zeitlupentempo einige Schritte beiseite, um dann nahe einem Schott stehen zu bleiben und gegen die Wand zu starren.
    »Ist das wirklich das Ende?«, fragte Bull NEMO.
    »Für mich: ja. Das Schiff ist nicht mehr zu halten oder zu lenken.«
    »Was, wenn du im Inneren Tephayas überleben kannst? Die Adaptionen durch die Metaläufer ...«
    »Sie sind überragende Techniker, aber keine Zauberer. Ich ... löse mich auf. Ich teile mich. Aus einem werden fünf, aus fünf werden unzählige.«
    Fünf autarke Biopositronik-Netzwerke, die gemeinsam den Bordrechner ergaben, würden geteilt werden, wie auch das Schiff geteilt, aufgelöst und vom Schwarzen Loch verschlungen werden würde. NEMO war zwar rein technisch gesehen bloß ein Rechengehirn – und doch viel mehr.
    »Reginald?«
    »Hm?«
    »Du musst gehen. Es ist so weit. Ich gebe Tephaya nach.« Die Stimme klang sanft und traurig.
    »Nein, das wirst du nicht!«
    »Wenn du jetzt Richtung Transmitter losläufst, kann ich dich noch in Sicherheit bringen. Das ist das Letzte, was ich für dich tun kann.«
    »Wie viele Besatzungsmitglieder müssten deswegen zurückbleiben? Wessen Platz werde ich einnehmen? – Nein! Ich bleibe hier, bis jedermann von Bord ist, und du wirst gefälligst dabei helfen.«
    »Fünfhundert werden sterben. Ich ... kann nicht mehr.«
    »Was ist, wenn ich die JULES VERNE steuere? Wenn ich dir Aufgaben abnehme, mich unter die SERT-Haube begebe?«
    »Du bist kein Emotionaut. Du weißt genau, was das bedeutet. Du würdest durchdrehen, sterben und mich, das Schiff, noch rascher in den Untergang reißen. Dein Geist ist für eine derartige Arbeit nicht geeignet.«
    Bull folgte einer Eingabe. Einer verrückten Idee, aus der Not geboren. »Was ist mit dem Weißen Saal? Kann ich von dort aus das Schiff steuern und auf Kurs halten?«
    »Ich weiß es nicht. Dieser Raum ist ein blinder Fleck für mich. Aber ...«
    »Es wird vielleicht gehen«, mischte sich überraschend Ilz Namib ein, der nach wie vor in der Nähe eines Ausgangs stand. »Versuch es. Tu, was du tun kannst. Tu es mit dem Herzen.« Er nickte Bull zu und rückte seinen Arbeitsoverall zurecht. »Das ist das letzte Mal, dass wir uns hören.« Der Metaläufer hob die Hand zum Abschied und verschwand dann, indem er durch eine Wand glitt und sich auflöste.
    Der Weiße Saal ... Er barg viele Geheimnisse. Er war eines der vielen Rätsel an Bord dieses überragenden Schiffs. Und all das sollte nun verloren gehen?
    »Reginald?«
    »Ja, NEMO?« Bull blickte auf eine Uhr. Er musste jetzt weg, wenn er einen Versuch unternehmen wollte, die Möglichkeiten des Weißen Saals zu nutzen.
    »Ich träume manchmal. Insbesondere, wenn es im Schiff ruhig ist und nur Routinearbeiten zu erledigen sind. Dann stelle ich mir vor, wie es wäre, wenn ich einen Körper hätte. Wenn ich wahr wäre.«
    »Du bist für mich mehr als nur wahr, du bist wahrhaftig. Ich habe dich immer sehr geschätzt.«
    »Du weißt ganz genau, was ich meine, Reginald. Ich möchte, dass du dich an mich erinnerst, sollte ich sterben. Du sollst mich sehen, so, wie ich mich sehe. – Wirst du an mich denken?«
    »J... ja.«
    »Dann schau mich an.«
    Ein Holobild entstand, unmittelbar neben dem Hologlobus. Es war zwei Meter groß, und was Bull sah, würde er sein Lebtag lang nicht mehr vergessen.
    »Du bist wunderschön«, sagte er, nachdem er wieder zu Atem gekommen war.
    »Danke!« Die Gestalt aus Licht und Farbe und Form lächelte. »Und jetzt geh, bitte. Ich bin schrecklich müde.«
    Es knirschte irgendwo, und diesmal wusste der Unsterbliche, dass er keiner Einbildung unterlag. Er musste sich sputen, wollte er die geringe Chance wahren, die Besatzung und womöglich die JULES VERNE zu retten.
    Er eilte einen Gang entlang, auf Deck 11-1, hin zu jenem ehemaligen Ausweichkonferenzraum.
    Er stoppte abrupt. Er hörte etwas. Jemanden. Ein Wesen, das aus einem der Quergänge auf ihn zukam. Bull schloss hastig seine Bordkombi und tastete nach seiner Waffe.
    Sie war nicht an ihrem Platz im Oberschenkelhalfter. Er hatte sie in der Zentrale
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