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PR 2706 – Sternengrab

PR 2706 – Sternengrab

Titel: PR 2706 – Sternengrab
Autoren: Michael Marcus Thurner
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zeigte an, dass sich noch etwa 150 Besatzungsmitglieder an Bord des Schiffs befanden. Er bekam längst keine verlässlichen Daten von NEMO mehr.
    Bull achtete nicht weiter auf den Marshall. Er drehte sich weiter im Kreis und sah fasziniert zu, wie seine Schatten verschwammen, sich teilten, davonschwebten und dann doch wieder zu ihm zurückkehrten.
    »Was soll ich tun?«, fragte er laut.
    Orientiere mich!, kam augenblicklich eine Antwort. Sie dröhnte in seinem Kopf. Maltynouc schien sie nicht zu hören.
    Ich möchte Leben retten, dachte Bull intensiv.
    Deines und das deines Begleiters?
    Nein. Das jener Menschen, die hier feststecken. Die unschuldig in diese Situation geraten sind.
    Es gibt keine Unschuld in den Universen des Lebenden. Ein geistiges Zögern. Aber ich helfe dir. Zeige sie mir, und ich tue, was ich kann.
    Bull dachte an die Hangars. An die beiden Kreuzer, an den steten Strom der Wesen, die durch den Transmitter in Sicherheit sprangen. Er meinte zu fühlen, zu sehen, wie sich rings um sie alle Strukturen auflösten. Wie die JULES VERNE zerquetscht und in die Singularität gezwungen wurde. Es war bloß noch eine Sache von Sekunden, es war alles viel zu spät ...
    Denk an diese Wesen. Zeig sie mir.
    Bull gehorchte, und je intensiver er es tat, desto unwohler fühlte er sich. Unwohlsein wurde zu Schmerz, Schmerz zu Qual, Qual zu etwas, für das es keine Begriffe mehr gab. Er stand bloß da und versuchte durchzuhalten, während sich die Reihen der Wartenden lichteten und die JULES VERNE trotz der tobenden Gewalten bestehen blieb.
    Er meinte das Schwarze Loch in sich zu tragen. Es tobte in ihm, zog, zerrte, wütete. Bulls Aufgabe war es, der Sogwirkung zu widerstehen, dank seines Geistes und dank seiner Bereitschaft, für andere zu leiden.
    Noch zwanzig, noch neunzehn Wartende. Etwas rann über die Stirn des Unsterblichen. War es Schweiß, Blut oder Gehirnmasse?
    Elf, zehn, neun. Er verlor den Kontakt zur Realität. Was sich jenseits seiner Gedanken abspielte, bedeutete nichts mehr.
    Drei, zwei, eins.
    Null.
    Alle waren weg. Wer alle? Was alle? Was habe ich getan, warum bin ich hier?
    Er öffnete die Augen.
    Wie heiße ich? Habe ich einen Namen, oder bin ich bloß ein Ding?
    Er sah sich einem Fremden gegenüber. Vielleicht hatte er ihn einstmals gekannt. Doch er war unbedeutend und unwichtig. Die Waffe, die der andere auf ihn ausrichtete, erinnerte ihn in ihrer Funktion an etwas. Der Fremde sprach, er hörte es nicht. Die Schallwellen bestanden aus Informationsbruchteilen, die keinen Sinn ergaben.
    Nur die Stimme in seinem Kopf stand in einem gewissen Bezug zu ihm. Sie sagte verständliche Worte: Alle gerettet, die JULES VERNE löst sich auf. Unwiederbringlich. Viele Leben werden gegeben, zwei werden genommen.
    Der Fremde schrie. Zornig und panisch. Hörte er diese Stimme etwa auch?
    Der andere feuerte. Auf ihn.
    Doch der Strahl kam niemals an. Nichts kam mehr an. Die Energie verpuffte. Schwärze durchbrach das Licht und fraß es auf.
    Er erinnerte sich seines Namens wieder. Er war ein ... Bull. Womöglich hatte ihm die Stimme ein letztes Geschenk gemacht, sodass er nicht starb, ohne sich selbst zu kennen.
    Er hörte sein Herz schlagen. Zweimal, dreimal. Dann blieb es stehen. Alles blieb stehen, und die Dunkelheit verschlang ihn.

8.
     
    Jawna Togoya stand in der Zentrale der NAUTILUS I und beobachtete den Untergang ihrer Heimat. Die Schiffspositronik meldete, dass keine weiteren Personen mehr materialisierten. Es war vorbei. Posbis brachten die letzten Transmitterreisenden in die Medostationen. Sie hatten diese Reise unter schwierigsten Bedingungen durchgeführt, doch sie lebten. Alle.
    Bis auf einen. Ausgerechnet ihn. Reginald Bull war noch dort drüben, in der Dunkelheit. Jawna glaubte nicht daran, dass der Unsterbliche das Ende seines Weges erreicht hatte, auch wenn die Positronik in ihr von »Tatsachen« sprach.
    Aber sie war ein lebendes, denkendes Wesen. Sie klammerte sich an Hoffnungen. Sie hatte diese Empfindung irgendwann einmal zu verstehen gelernt, in den vielen langen und intimen Gesprächen, die sie mit Hajmo Siderip geführt hatte.
    Da war etwas!
    Jawna sah Objekte, die aus den Tiefen des Schwarzen Lochs emporstiegen. Sie wirkten merkwürdig defekt und verdreht, als wären die Bilder Lichtbrechungen ausgesetzt. Sie strahlten in einem besonderen, halb transparenten und jenseitigen Gold.
    Es waren Trümmer der JULES VERNE.
    Jawna öffnete alle Funkkanäle, wider besseres Wissen. Was, wenn Bull
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