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PR 2705 – Die Sippe der Würdelosen

PR 2705 – Die Sippe der Würdelosen

Titel: PR 2705 – Die Sippe der Würdelosen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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positronischer Forschung gebracht worden. Wie es bei derart lang dienenden Positroniken und Biopositroniken manchmal der Fall war, hatte NEMO sich weiterentwickelt. Viele der mit ihm beschäftigten Techniker behaupteten, dass er Charakter besäße und das laut pochende Herz der JULES VERNE wäre.
    Bully suchte den Vexierpunkt NEMOS, der sich in fast allen Räumen des Schiffs befand. Starrte man den Vexierpunkt an, wusste die Positronik, dass sie direkt um ihre Meinung gefragt wurde. »Kannst du zumindest abschätzen, wie sehr Khosraus Uhr manipuliert wurde? Und wann es geschah?«
    »Es geschah während des Polyport-Transfers. Doch ich weiß nicht, ob es sich um jene zwölf Stunden handelte, die Khosrau dabei verlor. Es ergäbe auch keinen Sinn, das Offensichtliche verbergen zu wollen, und das ausgerechnet bei dieser einen Uhr.«
    »Wie lange also?«, hakte Bull nach.
    »Es geht um weniger als ein Jahr«, antwortete NEMO. »Es könnte sich aber genauso gut um eine Zehntelsekunde handeln. Ich hatte es bei meinen Nachforschungen mit nahezu unbekannten Parametern zu tun.«
    »Danke!« Bull nahm den Blick vom Vexierpunkt und wandte sich wieder Terco zu. »Diese Angelegenheit hat absolute Priorität. Ich möchte wissen, was da geschehen ist. Untersucht das Wrack der Minor Globe, ob weitere Uhrwerke manipuliert wurden. Denkt an den Gewichtsverlust des Schiffs, der nach der Aufbringung angemessen wurde. Berücksichtigt selbst winzige Kleinigkeiten, holt euch Unterstützung von den Kontracomputern. Es muss geklärt werden, was da geschehen ist.«
    Bull wandte sich ab und dachte nach. Der Mond war beim Rücktransfer aus dem Neuroversum wesentlich länger unterwegs gewesen als der Rest des Solsystems. War etwas Vergleichbares nun mit Khosrau geschehen? War er länger unterwegs gewesen, als es ohnedies den Anschein erweckte? Wer hatte dies bewirkt? Das Atopische Tribunal? War es derart mächtig und wissend, dass es Wesen aus der Zeit nehmen und für seine Zwecke missbrauchen konnte?
    Bull verabschiedete sich von Anabas Terco und ging zum Isolationsraum Khosraus. Um zu erfahren, dass der TLD-Agent zurück in seine Kabine gebracht worden war.
    Da war es wieder, dieses verflixte Magengrummeln. Sie taten gut daran, Khosrau unter strenge Bewachung zu stellen und auf Schritt und Tritt zu verfolgen.

4.
    Der Agent
     
    »Ich habe euch erwartet«, sagte Ghiyas Khosrau und streckte Bull die offenen Handflächen entgegen.
    »Was soll das?«, fragte der Unsterbliche.
    »Machte man das denn nicht so in deiner Jugend, wenn ein Delinquent verhaftet und gefesselt werden sollte?«
    »Was weißt du schon, wie es in meiner Jugend zuging?«, fragte Bull.
    Der Unsterbliche wirkte schuldbewusst, hatte ein schlechtes Gewissen. Gut so.
    »Du bist doch hier, um mich wieder in Gewahrsam zu nehmen. Oder?«
    »Wir sind gekommen, um dir noch ein paar Fragen zu stellen«, wich Bull aus.
    »Begleitet von einem TARA, der sich so platziert, dass er mich jederzeit atomisieren könnte?«
    »Ich möchte keine Risiken eingehen. Zumal ich ganz genau weiß, wozu du in der Lage bist.«
    Reginald Bull hatte offenbar beschlossen, diese Angelegenheit aus dem Jahr 1504 NGZ nicht zu vergessen. Auch gut. Dann würde er mit der Belastung leben müssen.
    Khosrau maß diesem Auftrag keinerlei Bedeutung mehr bei. Er hatte auf Bull aufpassen müssen und in einer Notsituation mit der notwendigen Kaltblütigkeit gehandelt. Er hatte einen potenziellen Attentäter identifiziert und auf ihn geschossen. Kollateralschäden waren nicht zu verhindern gewesen. Dass ein Kleinkind und seine Mutter betroffen gewesen waren, erschien bedauernswert. Doch im Krieg – und Khosrau befand sich im Krieg, seitdem er dem TLD beigetreten war – erwischte es manchmal auch Zivilisten.
    »Bin ich verhaftet?«, fragte er.
    »Fühlst du dich denn schuldig?«
    »Nein«, sagte Khosrau. »Aber ich akzeptiere, dass einige Verdachtsmomente gegen mich sprechen. Nachdem die Onryonen ganz genau wussten, wo im Sonnensystem die JULES VERNE auftauchen würde, besteht der dringende Verdacht, dass ein Verräter existiert, der ihnen Hinweise gegeben hat. Und da der Kreis der Verdächtigen nicht sonderlich groß ist, verstehe ich, dass ihr mich aus dem Verkehr ziehen möchtet.«
    »Es gibt keinen Kreis der Verdächtigen, Ghiyas. Es gibt ausschließlich dich. Niemand außer dir könnte die Onryonen auf unsere Fährte geschickt haben.« Bull sah ihm tief in die Augen, wozu er dank des Größenunterschieds den Kopf weit
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