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PR 2705 – Die Sippe der Würdelosen

PR 2705 – Die Sippe der Würdelosen

Titel: PR 2705 – Die Sippe der Würdelosen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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hatte.
    Khosrau nickte Bull zu. Er hatte alles, was er benötigte.
    Der Unsterbliche ging vorneweg mit dem ihm eigenen energischen Schritt, drehte sich dann aber nochmals zur Kommandantin um. »Sorge dafür, dass die Medo-Abteilung die bestmögliche Ausrüstung an Bord der Space-Jet bringt. Khosrau sind während der Reise ohnedies die Hände gebunden, er hat kaum etwas zu tun. Einige Medoroboter sollen ihn auf Herz und Nieren untersuchen.«
    Die TARAS rückten näher zu Khosrau auf und nahmen ihn in die Mitte. Zwei Greifarme umfassten seine Schultern und schoben ihn vorwärts, den Gang entlang Richtung Peripherie der JV-1, hin zu einem der vielen Hangars.
    Bull blieb stehen und wartete. Er ließ die beiden TARAS und ihn passieren. Hatte der Unsterbliche etwa Angst?
    Nun – ein Mann wie Bull hätte niemals so lange überlebt, hätte er nicht gelernt, vorsichtig und misstrauisch gleichermaßen zu sein.
     
    *
     
    Bull brachte ihn wider Erwarten zuerst in die Medostation zurück und verlangte angesichts der Zeit, die ihnen bis zur Bereitstellung der Space-Jet zur Verfügung stand, eine weitere Untersuchung. Sie fand in einem energetisch abgeschirmten Raum statt.
    Sei-bei-mir als einer der beiden verantwortlichen Chefmediker der JULES VERNE kümmerte sich persönlich um Khosrau. Er unterzog ihn einem Körperscan, entnahm DNS-Proben, testete Zerebralfunktionen und injizierte Nanoroboter in seine Blutbahnen. Sie trieben durch seinen Körper, Khosrau konnte ihnen auf einem Bildschirm dabei zusehen.
    »Nichts«, sagte Sei-bei-mir nach wenigen Minuten. »Alles ist so, wie es sein sollte. Die Körperfunktionen entsprechen denen eines fünfundvierzigjährigen Terraners. Jene Metallsplitter, die ich im Brustbein ausmachen konnte, sind Folgen einer älteren Verletzung, deren Rückstände nicht gut genug beseitigt wurden.«
    »Ich habe stets darauf bestanden, dass die drei Splitter in meinem Körper bleiben«, sagte Khosrau.
    »Interessant! Und warum?« Die Fühlhaut des Lyrianers berührte seinen nackten Körper. Es war ein unangenehmes Gefühl.
    »Sie sind mir Erinnerung, dass ich unvorsichtig war – damals, zu Beginn meiner Karriere beim TLD. Ich wollte für immer spüren, was es bedeutet, wenn man zu sehr auf seine Instinkte vertraut.« Er sah Bull tief in die Augen.
    »Du kannst die Splitter spüren?«
    »Ab und zu beim Atmen. Aber nur, wenn ich bewusst an sie denke.«
    »Du hast eine sehr sonderbare Einstellung zu deinem Beruf«, sagte Sei-bei-mir und legte sich mit zwei seiner drei Hauptkörper auf Khosraus Brust.
    Er schwieg. Was der Mediker über ihn dachte, interessierte ihn nicht.
    »Gibt es sonstige Auffälligkeiten?«, fragte Bull ungeduldig.
    »Genauso wenig wie bei der ersten Untersuchung. Ich brauche den Patienten für mehrere Stunden und nicht bloß für ein paar Minuten, um völlig sicherzugehen, dass er in Ordnung ist. Wenn etwas nicht stimmt, finden wir es in Khosraus Kopf, und das ist ein Gebiet, auf dem es mit einer Pfuschuntersuchung nicht getan ist.«
    »Vielleicht ein anderes Mal«, meinte Bull.
    »Ach ja: Es gibt Hinweise auf eine leichte zerebrale ... nun, nennen wir es eine Irritation.«
    »Eine Gehirnerschütterung?«, fragte Bull.
    »Weniger als das.« Die Verbindungsstelen des Körpers von Sei-bei-mir schlugen Wellen, aus den drei Mundpfeifen drang Speichel. »Der Patient muss sich irgendwo angeschlagen haben. Der Vorfall liegt maximal zwei Tage zurück.«
    »Ich kann mich nicht daran erinnern«, sagte Khosrau.
    Es musste während der verlängerten Reise durch das Polyport-Netz geschehen sein. Als er nicht Herr seiner Sinne gewesen war und Dinge gesehen hatte, die nichts mit der Realität zu tun hatten. Khosrau hatte auf dem Boden liegend zu sich selbst zurückgefunden. Irgendwann während des verlorenen Tages musste er gestürzt sein und sich am Kopf verletzt haben.
    »Fällt dir dazu etwas ein?«, fragte Bull.
    »Nur, was ich dir bereits über diese Reise erzählte. Ich kann mich an nichts erinnern, was Sinn ergäbe. Da waren Eindrücke von Licht und Schatten. Vom Werden und vom Vergehen, von Jugend und vom Alter. Zurückgeblieben ist bloß das Gefühl des Verlusts.« Zögernd fügte er hinzu: »Als wäre mir etwas gestohlen worden.«
    »Gestohlen?« Bull horchte interessiert auf. »Was denn?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Sie schwiegen sich an, während Sei-bei-mir die Nanomaschinen mithilfe eines biogenetischen Lockmittels aus Khosraus Körper spülte. Binnen zweier Minuten war er wieder sauber.
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