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PR 2648 – Die Seele der Flotte

Titel: PR 2648 – Die Seele der Flotte
Autoren: Christian Montillon
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in der Zentrale, die auf dem Boden zuckten, in einer gefrierenden Umweltkapsel lagen oder sich mit letzter Kraft aufrecht hielten. Sie stellten keine ernsthaften Gegner dar.
    Mit einem einzigen Befehl könnte er sie auslöschen!
    Im Holo beobachtete er, wie Mikru zerbrach und sich auflöste. Ein wenig wunderte er sich darüber, doch das würde er später klären. Zunächst galt es, die Schädlinge zu beseitigen.
    »Lare!«, tönte es hinter ihm.
    Er drehte sich um. »Mikru. Welch Überraschung.«
    Die Projektion der Schiffsseele hatte wieder seine eigene Gestalt angenommen. »Hör mir zu. Denk nach! Ich bin die Essenz dieses Schiffes und all seiner Piloten zugleich! Wer je MIKRU-JON steuerte, wurde immer eins mit mir! Wurde zu einem Teil von mir!«
    »Genau wie ich.«
    »Genau wie du!«
    »Ich weiß das! Wieso ...«
    »Du bist ein Teil von mir. Ich kenne dich. Ich weiß, wie du denkst.«
    Er dachte nach. »Wieso bin ich wieder Fleisch und Blut geworden?«
    Wieder schoss ein Blutstrom aus der Nase seines Ebenbilds. Die schwarze Gesichtshaut riss auf. Aus der Wunde leuchtete Licht, ein scharfer, breiter Strahl. »Du stellst die falschen Fragen! Wieso willst du mich vertreiben, Lare? Wieso zerstörst du mich?«
    Schon öffnete er den Mund, um zu antworten, doch der Anblick seines Gegenübers lähmte ihn. Der Riss im Gesicht klaffte weiter auf, spaltete eines der Augen, das sich in gleißendes Licht verwandelte, funkelte und erlosch. Ein schwarzes Loch blieb, in dessen Mitte etwas pulsierte.
    »Du bist nur eine Projektion«, sagte er. »Kein echtes Lebewesen! Und du bist MIKRU-JON! Ich zerstöre dich nicht. Ich will lediglich, dass du mir gehorchst, wie es der korrekten Ordnung der Dinge entspricht. Ich bin dein Pilot.«
    Die Schwärze breitete sich aus, fraß sich bis zum Mund vor. »Das bist du nicht! Du warst es – vor langer Zeit. Inzwischen dürftest du längst nicht mehr hier sein. Ich werde nicht zulassen, dass du die Herrschaft über MIKRU-JON an dich reißt!«
    »Wer sonst sollte Pilot sein? Eine dieser jämmerlichen Gestalten?« Er wies auf das Holo.
    Ehe Mikru etwas erwidern konnte, explodierte sie in einer Kaskade aus Licht und Feuer.
    Zum Schutz riss Numenkor-Bolok seine Hände hoch, in einer ebenso verzweifelten wie hilflosen Geste.
    Die grelle Helligkeit ließ sein Fleisch gelb aufleuchten. Die Knochen zeichneten sich darin als dunkles Skelett ab, und die gleißenden Strahlen stachen wie Speere in seine Augen. Es schmerzte entsetzlich. Er taumelte rückwärts, verlor den Halt, schlug auf.
    Du bist ein Teil von mir!, dröhnte Mikrus verwehende Stimme in seinem Verstand auf. Ich kenne dich, und noch hast du mich nicht besiegt. Ich werde dich töten!
    Und endlich raubte der Schmerz ihm das Bewusstsein.
     
    *
     
    Er erwachte allein.
    Es gab keine Spur mehr von Mikru, in welcher Gestalt auch immer.
    Numenkor-Bolok lag auf dem einzigen Einrichtungsgegenstand, der über die gesamte Länge des Zimmers reichte: einem Bett.
    Seinem Bett.
    Er roch süßlichen Duft, wie nach frischem Harz. Samtgras lag auf den Kissen, genau wie damals. Doch dies war nicht das Zimmer seiner Kindheit, obwohl es genauso aussah. Das Schiff erschuf für ihn eine Umgebung, die er kannte und die angenehme Erinnerungen weckte. Genau wie während der Jahre, in denen er als Pilot den Obeliskenraumer gesteuert hatte.
    Im ersten Augenblick wollte er Mikru rufen, die Verkörperung der Schiffsseele. Sie war seine Schnittstelle zu MIKRU-JONS Sensoren und den Informationen in den Speichern. Doch das durfte er nicht. Mikru stand ihm feindlich gegenüber, das hatte sie überdeutlich klargemacht.
    Nur – wieso?
    Numenkor-Bolok, der Lare, verstand nicht, was mit ihm und um ihn her geschah. Er wusste nur eines: Er fror. Daran änderte auch das Laken nichts, das über ihm lag.
    Er setzte sich in dem Bett auf. Die Bewegung verwirbelte die Dämpfe des Samtgrases; sie krochen in ihn hinein und weckten Glücksgefühle. Doch sie vermochten die Bedrückung, die Angst nicht zu vertreiben.
    Entschlossen stand er auf. Wenn er herausfinden wollte, was vor sich ging, musste er diesen Raum verlassen.
    Was immer auf ihn wartete, es galt, sich ihm zu stellen. Vielleicht war es gut, die Schädlinge in der Zentrale nicht sofort zu töten, sondern sie zunächst zu beobachten. Vielleicht wussten sie mehr, konnten ihm Informationen geben, auf direktem oder indirektem Weg.
    Die Tür öffnete sich nicht automatisch vor ihm, wie er es von damals gewohnt war. Also streckte
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