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PR 2626 – Suche im Sektor Null

PR 2626 – Suche im Sektor Null

Titel: PR 2626 – Suche im Sektor Null
Autoren: Michael Marcus Thurner
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tobender Hyperstürme.
    »Das ist alles, was dir einfällt?«, fragt Braunell.
    Die Augen des Hasproners glänzen fiebrig, er ist noch immer hochgradig aufgeregt. Ich werde ihn im Auge behalten und gegebenenfalls durch einen belastbareren Offizier ersetzen müssen.
    Ich schweige zu seinen Vorwürfen und betrachte meine Fingernägel. Ich täusche Schwäche und Unsicherheit vor. Ich schraube die Erwartungen in meine Fähigkeiten als Schiffsführer niedriger, als es vielleicht notwendig ist. Vielleicht begehe ich einen Fehler. Doch ich habe meine Erfahrungen im Spiel gemacht. Es schadet nichts, unterschätzt zu werden. Zumal ich nun Frust und Wut auf mich ziehe – und zugleich das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bordmitglieder der JULES VERNE stärke.
    Nachdenkliche und enttäuschte Blicke treffen mich. Die meisten der Anwesenden lassen sich täuschen – oder wollen sich täuschen lassen. Es ist mir einerlei. Hauptsache ist, dass sie sich an mir reiben und mir beweisen wollen, dass sie mehr drauf haben als ihr Expeditionsleiter.
    Die Militärs und Wissenschaftler wenden sich gleichermaßen von mir ab. Sie unterhalten sich in Zweier- und Dreiergrüppchen, gehen aufeinander zu, vergessen Berührungsängste.
    Ahnen sie, dass ich die Sitzordnung manipuliert habe? Dass ich sie einen nach dem anderen am Eingang abgefangen und ihnen einen bestimmten Platz zugewiesen habe? Ich tat es nach gewissen Vorstellungen von einer gedeihlichen Zusammenarbeit. Ich sorgte dafür, dass Freunde eines bestimmten Klüngels voneinander getrennt, dass eigenbrötlerisch arbeitende Wissenschaftler zu den mitteilsamsten gesetzt und dass ruhige zum Gedankenaustausch mit quirligen Charakteren gezwungen werden. Ich möchte neue Synergien entstehen lassen. Ich möchte, dass die Funken sprühen.
    Reino tan Vitar durchschaut mich. Er lächelt. Das Grinsen wirkt nicht sonderlich vertrauenerweckend; doch ich weiß, was ich an dem Akonen habe.
    Sichu Dorksteiger steht auf und bittet Kommandant Tristan Kasom, den Platz neben mir frei zu machen. Er folgt mit einem knappen Nicken.
    Mit einer grazilen Bewegung lässt sie sich auf dem Stuhl nieder. Der glänzende Stoff ihrer eng geschnittenen Hose reibt über die Sitzfläche. Sie beugt sich zu mir, auf einen Wink ihrer Rechten umfängt uns ein schallisolierendes Feld.
    »Gratuliere«, sagt sie.
    »Wozu?« Ihre Nähe erzeugt mehr Unruhe in mir, als ich während der letzten Tage gespürt habe.
    »Stell dich nicht dümmer, als du bist.« Sie lächelt und zeigt ein strahlend weißes Gebiss. »Ich verstehe ein klein wenig von Führungspsychologie. Oder von Manipulation.«
    »Was für ein hässliches Wort.« Ihre Augen. Ihre Blicke. Sie wirken so ... so ... bedrohlich. Sichu Dorksteiger beeinflusst meine Libido. Sie knetet sie zwischen ihren langen, schmalen Fingern, spielt damit wie eine Katze mit der Maus.
    »Nervös?«, fragt sie leise.
    »Ein wenig. Ich weiß nicht, ob ich das Richtige tue. Ich hätte die Dinge auch auf andere Weise in Bewegung setzen können.«
    »Aber du hast dich für eine subtile Methode entschieden. Was mich doch sehr wundert. Dir geht ein ganz anderer Ruf voraus.«
    »Glaub nicht alles, was du über mich hörst.«
    »Weshalb nicht? Manches davon gefällt mir recht gut.«
    »Dafür anderes nicht, wie ich vermute?«
    »Man kann nicht alles haben. Beziehungsweise: Frau kann nicht alles haben.«
    Anspielungen. Andeutungen. Spiegelfechtereien.
    Sichu Dorksteiger versucht sich an mir auf einer Ebene, die ich eigentlich meisterhaft beherrsche. Doch ich ahne, dass sie Chancen hat, mich zu besiegen. Mich zu manipulieren. Sie greift mich auf derselben Ebene an wie Dao Lin H'ay. Mit dem Instinkt der Frau.
    Ich ziehe mich zurück und schweige. Nichts zu sagen ist allemal eine gute Idee. Vor allem in Gegenwart dieses Geschöpfs, das mit Sprache hantiert wie mit einer Waffe – und dabei auch noch entzückend wirkt.
    Doch der Friede hält nicht lange vor.
    »War es Zufall, dass ich so nahe sitzen durfte?«, fragt sie freiheraus.
    »Was denkst du denn?«
    »Ich denke, dass du ein hervorragender Stratege bist – und zwar in jeder Hinsicht. Zufälle sind für dich gewiss Faktoren, die du so weit wie möglich ausschließt.«
    »Mag sein.«
    Sie zieht sich einige Handbreit zurück. Es ist eine Geste, die mich strafend treffen soll. »Du bist mir zu unverbindlich. Ich hätte lieber einen Gesprächspartner, der sich mir öffnet. Kann es sein, dass du trotz deiner zweifellos großen Erfahrung noch immer nicht
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