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Post Mortem

Post Mortem

Titel: Post Mortem
Autoren: Jonathan Kellerman
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füreinander gehabt… Das ist egoistisch, das Wichtigste ist, sich auf den Menschen zu konzentrieren, der leidet, stimmt's?«
    Das klang wie ein Zitat aus einem Buch.
    »Natürlich.«
    Sie legte einen Arm eng um ihren Oberkörper, hielt Blanche in dem anderen. Blanche leckte ihr die Hand. Tanya fing an zu weinen.
    Sie öffnete ihr Haar, befreite eine blonde Mähne, die sie heftig schüttelte, bevor sie sie wieder zu einem Knoten zusammenfasste und die Stäbchen hineinrammte.
    »Okay«, sagte sie. »Ich komme jetzt zur Sache. Es war Freitagabend. Ich kam später als üblich ins Krankenhaus, weil ich organische Chemie im Labor hatte und viel lernen musste. Mommy sah derart schwach aus, dass ich gar nicht glauben konnte, was für eine Veränderung seit dem Vormittag stattgefunden hatte. Ihre Augen waren geschlossen, ihre Haut war grünlich grau, und ihre Hände sahen wie Reisigbündel aus. Die Fan-Käseblättchen waren um sie herum aufgestapelt, und es sah aus, als würde sie vom Papier verschluckt. Ich fing an aufzuräumen. Sie schlug die Augen auf und flüsterte etwas, was ich nicht verstehen konnte, weshalb ich mit meinem Ohr näher an ihren Mund heranging.«
    Sie drehte an einem Stäbchen. »Zunächst konnte ich nicht mal ihren Atem spüren, und ich zuckte voller Panik zurück. Aber sie sah unverwandt von unten zu mir hoch, und das Licht war noch nicht erloschen. Erinnern Sie sich an ihre Augen? Wie scharf und dunkel sie waren? In dem Moment waren sie genau so, Dr. Delaware - konzentriert starrten siemich an, sie bewegte ihre Lippen, aber sie waren so trocken, dass sie keinen Ton herausbekam. Ich machte ein Handtuch nass, und sie kniff den Mund wie zu einem Küsschen zusammen, und ich beugte mich hinunter, und sie berührte meine Wange mit ihren Lippen. Dann schaffte sie es irgendwie, ihren Kopf weiter zu heben, um mir näher zu kommen, und ich beugte mich noch etwas tiefer. Sie legte mir eine Hand in den Nacken und drückte zu. Ich konnte fühlen, wie der Schlauch ihrer Infusion mich hinter dem Ohr kitzelte.« Sie wandte den Blick von mir ab. »Ich muss mich bewegen.«
    Sie setzte Blanche auf dem Boden ab und stand auf. Blanche kam zu mir getrottet und legte sich in meinen Schoß.
    Tanya durchquerte das Zimmer zweimal und kehrte wieder zu ihrem Sessel zurück, blieb aber stehen. Eine Haarsträhne löste sich und legte sich vor ein Auge. Ihre Brust hob und senkte sich wieder.
    »Ihr Atem war eiskalt. Sie fing wieder an zu reden - stieß die Wörter keuchend hervor. Was sie sagte, war: ›Schlimmes getan.‹ Dann wiederholte sie es. Ich antwortete ihr, sie könnte nie etwas Schlimmes tun. Sie zischte so laut, dass mir das Ohr wehtat, und sagte: ^Schreckliche Sache, Baby‹, und ich konnte spüren, wie ihr Gesicht zitterte.
    Sie zog ihre Augenwinkel auseinander, ließ sie wieder los und holte tief Luft. »Jetzt kommt der Teil, von dem ich Ihnen am Telefon nichts erzählt habe. Sie sagte: ›Hab ihn umgebracht. Ganz nahe. Weiß es. Weiß es.‹ Ich versuche immer noch, dahinterzukommen. In ihrem Privatleben gab es keine Männer, also konnte sich das ›nahe‹ nicht auf ein Verhältnis beziehen. Das Einzige, was mir sonst dazu einfällt, ist, dass sie es wörtlich meinte. Jemand, der bei uns in der Nähe wohnte. Ich hab mir das Gehirn zermartert, um festzustellen, ob ich mich an irgendeinen Nachbarn erinnern kann, der auf merkwürdige Weise gestorben ist, und ich kann es einfach nicht. Kurz bevor ich zu Ihnen in Behandlung kam,haben wir in Hollywood gewohnt, und ich kann mich daran erinnern, die ganze Zeit Sirenen gehört zu haben, und dann und wann klopfte ein Betrunkener bei uns an der Tür, aber das war es auch.
    Und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie irgendjemandem absichtlich wehtun könnte.«
    Sie setzte sich.
    »Sie wissen nicht, was Sie glauben sollen«, sagte ich.
    »Sie halten das für völlig verrückt. Ich hab das auch getan. Ich hab mich geweigert, mich damit zu befassen. Aber ich kann es nicht auf sich beruhen lassen. Nicht wegen meiner Prädisposition. Sondern weil Mommy wollte, dass ich die Wahrheit erfahre. Das hat sie gemeint, als sie ›Weiß es‹ sagte. Es war wichtig für sie, dass ich es verstehe, weil sie sich die ganze letzte Woche um die Einrichtung meiner Zukunft gekümmert hat, und das gehörte dazu.«
    Ich blieb still.
    »Vielleicht ist es tatsächlich verrückt. Aber ich kann es zumindest überprüfen. Deswegen habe ich gedacht, Detective Sturgis könnte vielleicht per
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