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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia
Autoren: Isabel Allende
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Gunst
durch Geld allein nicht errungen wurde, sie verlangte dazu auch
gute Manieren und etwas Charme. Durch die Großzügigkeit
ihrer Gönner lebte sie gut und hatte genügend Mittel, einem
bunten Schwärm talentloser Künstler weiterzuhelfen; ihr war
bestimmt, arm zu sterben, denn sie war verschwenderisch wie
ein Fürst, und was noch übrigblieb, verschenkte sie. In der Blüte
ihrer Jugend hatte sie mit der Anmut ihrer Bewegungen und mit
ihrer roten Löwenmähne den Verkehr auf der Straße
durcheinandergebracht, aber sie hatte zuviel Spaß am Skandal,
und damit verscherzte sie ihr Glück: in einer plötzlichen Laune
konnte sie einen guten Namen und eine Familie zerstören. Für
Feliciano war das Risiko nur ein Anreiz mehr; er hatte das
Gemüt eines Korsaren, und die Vorstellung, mit dem Feuer zu
spielen, verführte ihn ebenso wie die herrlichen Hinterbacken
der Lowell. Er richtete ihr mitten in der Stadt eine Wohnung ein,
zeigte sich aber niemals öffentlich mit ihr, denn er kannte den
Charakter seiner Frau nur allzugut, die schon einmal in einem
Anfall von Eifersucht an all seinen Anzügen die Ärmel und
Hosenbeine zerschnitten und sie ihm dann vor die Tür seines
Büros geworfen hatte. Für einen so eleganten Mann wie ihn, der
seine Kleidung bei dem Hofschneider von Prince Albert in
London in Auftrag gab, war das ein geradezu tödlicher Schlag.
In San Francisco, dieser Stadt der Männer, war die Frau immer
die letzte, die von einem Treubruch ihres Ehemannes erfuhr,
aber in diesem Fall war es die Lowell selbst, die ihn aufdeckte.
Kaum hatte der jeweilige Gönner die Tür hinter sich
geschlossen, malte sie einen Strich auf die Bettpfosten, je einen
pro empfangenen Liebhaber. Sie war eine Sammlerin, die
Männer interessierten sie nicht so sehr als Einzelwesen, sondern
nur als weiterer Strich in ihrer Kollektion; sie war wild
entschlossen, den Mythos der faszinierenden Lola Montez zu
übertreffen, der irischen Kurtisane, die in den Zeiten des
Goldrausches San Francisco wie ein strahlender Meteor
durchzogen hatte. Das Gerede über die Striche der Lowell ging
von Mund zu Mund, und die Herren stritten sich um den Besuch
bei ihr, sowohl wegen der Reize der Schönen, die viele von
ihnen bereits im biblischen Sinne erkannt hatten, als auch um
der Gunst willen, mit der Geliebten einer hochgestellten
Persönlichkeit der Stadt zu schlafen. Die Neuigkeit von Amanda
Lowells Strichvergnügen erreichte auch Paulina del Valle, als
sie bereits durch ganz Kalifornien gereist war.
    »Das Demütigendste daran ist, du läßt dir von dieser Nutte
Hörner aufsetzen, und alle Welt klatscht darüber, daß ich mit
einem Kapaun verheiratet bin«, schrie Paulina ihren Mann in der
wenig feinen Gossensprache an, die sie bei solchen
Gelegenheiten benutzte.
    Feliciano Rodriguez de Santa Cruz hatte von diesen
Sammleraktivitäten Amandas nichts gewußt, und die Wut
brachte ihn fast um. Niemals hätte er gedacht, daß seine Freunde
und Bekannten und andere, die ihm beträchtliche Gefälligkeiten
verdankten, sich so über ihn lustig machen könnten. Seiner
Geliebten dagegen gab er keine Schuld, resigniert nahm er die
Gelüste des anderen Geschlechtes hin, es waren zauberhafte
Geschöpfe, nur ohne moralisches Gerüst, immer bereit, der
Versuchung nachzugeben. Sie gehörten der Erde, dem Humus,
dem Blut, den organischen Funktionen, die Männer waren für
Heldentum, die großen Ideen und, wenn das auch nicht sein Fall
war, für die Heiligkeit bestimmt. Von seiner Frau zur Rede
gestellt, verteidigte er sich, so gut er konnte, und dann nutzte er
eine Gefechtspause, als ihr der Atem ausging, um ihr
vorzuwerfen, daß sie die Tür zu ihrem Zimmer vor ihm
verschlossen hielt. Verlangte sie, daß ein Mann wie er in
Abstinenz lebe? Alles sei ihre Schuld, weil sie ihn
zurückgestoßen habe, behauptete er. Das mit der verschlossenen
Tür stimmte, Paulina hatte der stürmischen Wollust entsagt,
nicht weil sie frei von Gelüsten war, wie sie mir vierzig Jahre
später gestand, sondern aus Scham. Es stieß sie ab, sich im
Spiegel näher zu betrachten, und sie schloß daraus, daß jeder
Mann das gleiche fühlen müsse, wenn er sie nackt sah. Sie
erinnerte sich genau an den Augenblick, als ihr bewußt wurde,
daß ihr Körper sich in ihren Feind verwandelte. Ein paar Jahre
zuvor, als Feliciano von einer langen Geschäftsreise aus Chile
zurückgekehrt war, hatte er sie um die Taille genommen, bester
Laune wie immer, um
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