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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia
Autoren: Isabel Allende
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Goldfieber
verebbte, kehrten Tausende und Abertausende Abenteurer
zurück in ihre Heimat, ärmer, als sie einst aufgebrochen waren,
an Körper und Seele krank geworden bei der Verfolgung eines
Traums; aber Paulina und Feliciano hatten ihr Glück gemacht.
Sie stiegen auf in die Spitzen der Gesellschaft von San
Francisco, obwohl ihr spanischer Akzent ein nicht leicht zu
umschiffendes Hindernis bot. »In Kalifornien sind alle neureich
und niederer Herkunft, unser Stammbaum dagegen reicht zurück
bis zu den Kreuzzügen«, murmelte Paulina dann trotzig, ehe sie
sich geschlagen gegeben hätte und nach Chile zurückgekehrt
wäre. Jedoch waren es nicht nur Adelstitel oder Bankkonten, die
ihnen die Türen öffneten, sondern vielmehr Felicianos
sympathisches Wesen, wodurch er unter den mächtigsten
Männern der Stadt rasch Freunde fand. Dagegen erwies es sich
als ziemlich schwierig, seine Frau gern zu haben - aufgeputzt,
unmanierlich, respektlos und beleidigend, wie sie war. Ich muß
es aussprechen: Paulina flößte zu Anfang die Mischung aus
Faszination und Schaudern ein, die man vor einem Leguan
empfindet; erst wenn man sie besser kannte, entdeckte man ihre
empfindsame Ader. 1862 trieb sie ihren Mann an, sich in dem
Geschäft mit den neuen Eisenbahnlinien quer durch den
amerikanischen Kontinent zu engagieren, was das Paar
endgültig reich machte. Ich begreife nicht, wo diese Frau ihren
Spürsinn fürs Geschäft hernahm. Sie kam aus einer Familie von
engstirnigen, geistig eher beschränkten chilenischen
Grundbesitzern; in den Mauern des elterlichen Hauses in
Valparaiso war sie mit Rosenkranzbeten und Stickereiarbeiten
aufgezogen worden, denn ihr Vater glaubte, Unwissenheit
garantiere die Folgsamkeit der Frauen wie der Armen. Sie
beherrschte nur eben die Grundbegriffe des Schreibens und
Rechnens, las nicht ein Buch in ihrem Leben und zählte an den
Fingern zusammen - abziehen kannte sie nicht -, aber alles, was
ihre Hände berührten, verwandelte sich in Geld. Hätten ihre
Kinder und Verwandten nicht so verschwenderisch gelebt, wäre
sie mit dem Prunk einer Kaiserin gestorben. In jenen Jahren
wurde die Eisenbahnlinie gebaut, die den Westen mit dem Osten
der Vereinigten Staaten verbinden sollte. Während alle Welt in
Aktien der beiden Gesellschaften investierte und Wetten
abschloß, welche von ihnen die Schienen schneller legen werde,
breitete Paulina, unberührt von diesem läppischen Wettrennen,
eine Karte auf dem Speisezimmertisch aus und studierte mit der
Geduld eines Topographen die zukünftige Linienführung des
Zuges und die Orte, wo es reichlich Wasser gab. Lange bevor
die billigen chinesischen Hilfsarbeiter den letzten Nagel
eingeschlagen hatten und so die beiden Strecken in Promotory,
Utah, vereinigten, lange bevor die erste Lokomotive mit
Eisengeklirr, vulkanische Rauchwolken ausstoßend und brüllend
wie ein Schiff in Seenot den Kontinent überquerte - lange vorher
schon hatte sie ihren Mann überredet, an den Stellen, die sie auf
ihrer Karte mit roter Tinte gekennzeichnet hatte, Land zu
kaufen.
»Hier werden sie Dörfer bauen, weil es Wasser gibt, und in
jedem werden wir einen Laden haben«, erklärte sie.
    »Das ist viel Geld«, rief Feliciano entsetzt. »Sieh zu, daß du
es dir leihst, dazu sind Banken da. Wozu sollen wir das eigene
Geld riskieren, wenn wir über fremdes verfügen können?«
erwiderte Paulina, wie sie es in solchen Fällen immer tat. Und
damit waren sie beschäftigt, verhandelten mit den Banken und
kauften Grundstücke über das halbe Land hin, als die
Geschichte mit der Geliebten platzte. Sie war eine
Schauspielerin mit Namen Amanda Lowell, eine appetitliche
Schottin mit milchweißer Haut, spinatgrünen Augen und dem
Duft nach Pfirsich, wie diejenigen versicherten, die sie gekostet
hatten. Sie sang und tanzte miserabel, aber mit Feuer, trat in
belanglosen Lustspielen auf und verschönerte die Feste der
Reichen. Sie besaß eine Schlange aus Panama, lang, dick und
zahm, aber gräßlich anzusehen, die sich ihr während ihrer
exotischen Tänze um den Leib wand und nie bösartig wurde, bis
eines unglücklichen Abends Amanda mit einem Diadem aus
Pfauenfedern auftrat - die Schlange hielt den Kopfputz für einen
verirrten Papagei und hätte in ihrer Gier, ihn zu verschlingen,
fast ihre Herrin erwürgt. Die schöne Lowell war keineswegs
eine unter den Tausenden »befleckter Tauben« des
galanten
Lebens in Kalifornien; sie war eine stolze Edelhure, deren
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