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Portland Head Light

Portland Head Light

Titel: Portland Head Light
Autoren: Mathilda Grace
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Besucherausweis, eine Kopie deiner Geburtsurkunde, vom Gericht beglaubigt, und die Kopie des Antrags, den ich für dich gestellt habe, damit du sie besuchen kannst.“
    Dominic schüttelte den Kopf. „Ich verstehe kein Wort. Was?“
    Adrian lächelte nachsichtig. „Dominic, deine Mutter ist in einer geschlossenen Anstalt. Glaubst du, du kannst da einfach an die Tür klopfen und die lassen dich zu ihr?“
    Da begriff er. Und wie er begriff. „Du hast...“
    „Ja, das habe ich“, fiel Adrian ihm ins Wort. „Als du angerufen hast, war mir sofort klar, was du tun würdest. Also habe ich dafür gesorgt, dass du es tun kannst. Deswegen gehst du jetzt duschen, ziehst dich an, nimmst sämtliche Papiere mit, die du brauchst, und fährst los. Ich werde mich um Trey und Cameron kümmern, sobald sie zurück sind.“
    Da war etwas in Adrians Stimme, was Dominic stutzig machte. „Du hast David kein Wort darüber erzählt, oder?“ Der Anwalt schüttelte schweigend den Kopf. „Warum nicht?“
    „Weil es richtig ist.“ Adrian hob die Hand, als er widersprechen wollte. „Nein, ich bin nicht damit einverstanden, dass du alleine zu ihr fahren willst, aber da ich dich nicht davon abhalten kann, helfe ich dir eben. Und wenn du mich jetzt fragst, warum ich das tue, ziehe ich dir eine rein.“
    Dominic musste unwillkürlich grinsen. „Das würdest du wirklich tun, oder?“
    „Ja.“ Adrian stand auf und trat an ihm vorbei zur Tür. „Sieh zu, dass du fertig wirst. Ich mache dir was zu essen zum mitnehmen.“
    „Adrian?“ Er wartete, bis der Anwalt ihn ansah. „Danke.“

    Dominic hatte zwar geahnt, was ihn hier erwarten würde, aber das war einfach zuviel. Diese Frau war eine weibliche Version von ihm selbst, beziehungsweise er war ein Abbild von ihr. Seine Mutter. Sein Fleisch und Blut. Und Dominic fand soviel von sich selbst in ihrem Gesicht wieder, dass ihm übel wurde. Denn obwohl sie sich so ähnlich waren, gab es auch gravierende Unterschiede. Diese Frau war nicht seine Mutter. Vielleicht war sie es irgendwann gewesen, früher, bevor die Medikamente sie in eine leblose Puppe verwandelt hatten. Oder besser gesagt in einen Körper ohne funktionierenden Verstand. Er wusste nicht, wie er den Anblick beschreiben sollte, aber in ihren Augen gab es nichts mehr zu sehen. Sie lebte zwar, Dominic konnte sehen, dass sie atmete, aber gleichzeitig war sie auch tot. Genau wie sein Vater.
    „Ist sie immer so?“, fragte er und wunderte sich, wie gefestigt seine Stimme klang, obwohl er vollkommen entsetzt war. Warum hatte er nicht auf Cameron gehört? Er hätte niemals allein hierherkommen dürfen. Aber diese Einsicht kam leider zu spät.
    „Es tut mir leid, Mister Felcon. Die Krankheit hat sie von Jahr zu Jahr immer mehr eingenommen. Ihre Mutter hat ab und zu noch die eine oder andere Phase, wo sie klarer ist, aber...“
    „Wie oft?“, unterbrach er die ruhige Erklärung des Arztes, dessen Namen er schon wieder vergessen hatte. Er wollte nur noch hier weg und zurück nach Baltimore. Zurück zu Cameron, der vermutlich sauer auf ihn war, weil er sich einfach so davongemacht hatte. Aber das würde er wieder geradebiegen, wenn Cameron ihm nur die Chance dazu gab. Hauptsache, er konnte hier weg und Hauptsache sein Wirbelwind wartete zu Hause auf ihn. Zu Hause.
    „Das ist sehr unterschiedlich. Das letzte Mal war sie vor zehn Tagen für einige Stunden ansprechbar. Davor lebte sie mehr als ein Jahr in ihrer eigenen Welt.“
    Und das war wahrscheinlich auch das Beste. So lieblos und grausam das vielleicht klang, aber wenn sie vergessen hatte, was sie getan hatte, war ihr Leben mit Sicherheit etwas friedlicher. Das hoffte Dominic jedenfalls. „Ob sie sich... Ich meine, kann es sein...“ Er räusperte sich und wollte seinen Blick von der Frau abwenden, die ihn geboren hatte, brachte es aber nicht fertig. „Weiß sie noch, wer ich bin?“
    „Das kann ich Ihnen leider so nicht beantworten. Beim letzten Mal wusste sie es. Sie wusste, dass sie einen Sohn hat. Aber ob Ihre Mutter es wirklich begreifen würde, dass Sie hier sind, wäre sie jetzt ansprechbar, das kann ich Ihnen nicht mit Gewissheit sagen. Sie hat in letzter Zeit immer wieder die Realität mit Trugbildern und Wahnvorstellungen verwechselt, die außer Ihrer Mutter niemand sah.“ Kurzes Schweigen. „Haben Sie ihre Briefe bekommen?“
    „Ja“, antwortete Dominic leise. „Ich habe sie erst heute Morgen gelesen.“ Der Arzt sagte nichts dazu. Es kam kein Vorwurf, dass er
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