Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues
Autoren: Gary Disher
Vom Netzwerk:
Vorhänge zu, hol es aus seinem Versteck und bewundere mich im Spiegel.«
    Jardine grinste zurück.
    Wyatts Kiefer brannte. Die ganze Anspannung des Lebens, das er gewählt hatte, schien sich mit einem Mal zu entladen und er knurrte: »Hört auf mit dieser Scheiße. Ich will, dass wir das Wo und Wann festlegen, damit wir endlich hier verschwinden können.«
    Vielleicht war es Wyatts Ärger, vielleicht wäre es sowieso passiert, jedenfalls ließ sein tückischer Körper Jardine erneut im Stich. Plötzlich schien er peinlich berührt, rutschte auf seinem Stuhl hin und her und wimmerte leise.
    Wyatt runzelte die Stirn. »Was ist?«
    Hilflos, mit verzerrtem Gesicht sagte Jardine: »Kumpel, ich hab mir in die Hose geschissen.«
    Wyatt starrte ihn an. »Oh Frank«, stieß er hervor.
    Er hievte Jardine hoch. Jardine war ein großer Mann, einst genauso schnell und kräftig wie Wyatt, bestand er jetzt nur noch aus Haut und Knochen. Die Sitzfläche des Stuhl war wässerig-braun verschmiert und Jardine stank nach seinen eigenen Exkrementen.
    »Komm schon, Junge. Ich bring dich ins Bad.«
    Jardine schlurfte mit ihm über den Boden. »Es tut mir Leid. Ich werde — «
    »Halt den Mund«, sagte Wyatt. Eine Mischung aus Verwirrung und Ärger stieg in ihm hoch. Er wollte keinen Dank, er wollte seinem Freund nicht die Scheiße abwischen, er hatte keinen Platz für Gefühle, die ihn bisher nie überkommen hatten, dennoch wusste er, das alles hier war unvermeidlich und notwendig.
    »Manchmal ist es so, dass ich — «, sagte Jardine.
    »Halt um Gottes willen bloß den Mund.«
    Dann stand Liz Redding auf der anderen Seite und half ihm, Jardine zu stützen. »Lassen Sie das. Es regt ihn nur auf.«
    Einen Moment lang gab es eine Art Tauziehen um Jardine. »Ich bring ihn ins Bad«, sagte Wyatt überflüssigerweise.
    »Nein, das tun Sie nicht. Ich mache das, Sie können mit so was nicht umgehen.«
    »Ich rufe ein Taxi.«
    »Vergessen Sie’s. Verschwinden Sie einfach, okay? Ich werd ihn sauber machen und nach Hause fahren.«
    Wyatt ließ Jardine los. Jardines Schamgefühl schien zwischen allen dreien hin und her zu springen. Mittlerweile war es für Wyatt etwas Vertrautes, weder fremd noch abstoßend. Er sagte: »Pass auf dich auf, Frank.«
    Dann wandte er sich Liz zu. »Danke«, brachte er nach einer Pause hervor.
    Sie seufzte, nickte und lächelte traurig. »Gebt mir vierundzwanzig Stunden, damit ich meine Fühler ausstrecken kann. Hier, Amsterdam, vielleicht auch New York.«
    »In Ordnung.«
    Sie machte sich mit Jardine auf den Weg ins Badezimmer und fragte: »Passt es Ihnen morgen früh?«
    »Southbank«, sagte Wyatt.
    »Gut.«
    Wyatt verließ das Motel. Er ging gern als Erster. Ging man als Erster, konnten die anderen nicht an der Ecke warten und einem folgen.

    VIER

    Die Bank war ein ›feeder‹. Als größte Filiale in der größten Stadt im oberen Teil des Yarra River Valleys in Victoria versorgte sie die kleineren Zweigstellen in den kleineren Städten. So weit, so gut, wäre da nicht die satte halbe Million im Tresor, das Doppelte der normalen Summe, und wenn sie den Laden heute Nacht nicht überfielen, verschwände morgen das ganze Geld in den Brieftaschen und Lohntüten der Einheimischen.
    Im Tresor befand sich das Doppelte der normalen Summe, weil heute Mittwoch war und morgen Donnerstag, Zahltag und zugleich der erste Tag des Upper-Yarra-Festes. Dem Plan zufolge, den man für diesen Bruch ausgearbeitet hatte, würden die Weinkellereien den Federweißen in den kommenden vier Tagen für ’nen Appel und ’n Ei verscheuern, würde man auf jedem Dorfplatz im Valley eine Hand voll heruntergekommener Geisterbahnen und Schießstände aufstellen, und alles würde dazu führen, dass eine Menge Leute eine Menge Bares zum Ausgeben brauchten, und zwar genau ab morgen früh.
    Niekirk warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Vor zehn Minuten hatte es irgendwo Mitternacht geschlagen, doch der Diskjockey, zuständig für die Schicht von acht Uhr bis Mitternacht, hielt sich noch im Gebäude von Radio 3UY auf, das direkt neben der Bank lag. Der Moderator der Sendung von Mitternacht bis acht Uhr war gerade eingetroffen, doch bis sein Kollege gestempelt und den Heimweg angetreten hatte, hieß es für Niekirk, Riggs und Mansell still dasitzen und warten.
    Nicht, dass das Warten ein Problem gewesen wäre. Die drei Männer in dem Lieferwagen sahen aus wie Klone: schweigende, aufmerksame Männer um die dreißig, bekleidet mit schwarzen Overalls und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher