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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues
Autoren: Gary Disher
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sollte, voll auf der Höhe war.
    »Wie ist sie denn so?«, fragte Wyatt, bevor das Taxi hielt.
    »Hab sie nie kennen gelernt.«
    Wyatts Stil war geprägt von frostiger Gelassenheit, doch diesmal erlag er seiner Ungeduld und dem pochenden Zahn. »Woher weißt du überhaupt, ob sie was taugt, Kumpel?«
    »Hab mich umgehört. Mack Delaney hat sie ausgebildet.«
    »Mack ist tot.«
    »Klar, aber er war einer der Besten.«
    Das musste auch Wyatt zugeben. Früher hatte er Delaney eingespannt, um Diebesgut zu verschachern. Delaney hatte sich darauf spezialisiert, Silber, Gemälde, Uhren sowie Münz- und Briefmarkensammlungen gegen eine Lösegeldzahlung an die Besitzer oder an Versicherungsgesellschaften zurückzugeben. Nebenher hatte er auch hin und wieder die Herkunft eines Bildes gefälscht, um es anschließend über Auktionen in Übersee zu verkaufen. Wie er Wyatt erklärt hatte, ging es Kunstdieben in Australien gut. Die Versicherungsprämien waren unbezahlbar, was bedeutete, dass Galerien und private Kunstsammler oftmals nicht versichert waren und auf billige Sicherheitssysteme vertrauten, um ihre Gemälde zu schützen. Sie verzichteten in der Regel auch darauf, aussagefähige Fotos von den einzelnen Stücken ihrer Sammlung zu machen und besaßen bestenfalls handschriftliche Beschreibungen. Zwar ging Trace, ein internationales Magazin, gegen Kunstdiebstahl vor, indem es eine Online-Datenbank unterhielt, aber die Subskriptionskosten waren hoch, zudem gab es Probleme mit der Online-Kompatibilität, was dazu führte, dass nur wenige australische Galerien, Kunsthändler, Auktionatoren und private Sammler sich dem anschlossen. Viele der in Australien gestohlenen Gemälde wurden für private Käufer nach Übersee verschifft. Mack hatte erzählt, dass es in Japan möglich sei, das legale Besitzrecht an einem gestohlenen Kunstwerk bereits nach zwei Jahren zu erwerben und in der Schweiz nach fünf Jahren. Dann gab es noch die Käufer, die keinerlei ästhetisches Interesse hatten. Sie benutzten die Gemälde, um Drogendeals zu finanzieren. Wyatts Überzeugung nach lief heutzutage sowieso alles darauf hinaus.
    Er spähte hinüber zum Motel, als das Taxi daran vorbeifuhr. In Wyatts Spiel gab es immer ein Motel. Er versteckte sich in Motels, plante Coups in Motels und teilte die Beute in Motels. Motels waren am besten geeignet. Man hatte Ruhe vor den anderen Gästen, sie kamen und gingen, genau wie man selbst. Käme die Wahrheit ans Tageslicht, käme vermutlich heraus, dass die Hälfte von ihnen mit Verbotenem oder Illegalem zu tun hatte. Unglücklicherweise waren Motels leicht auszumachen und potentielle Fallen. Sie schienen alle aus derselben Form gestanzt: nahezu völlige Übereinstimmung, was Raumaufteilung, Anstrich, Teppichboden, Einrichtung, Bettzeug und selbst die Kunstdrucke über den wuchtigen Betten betraf.
    Wyatt und Jardine verließen das Taxi einen Block hinter dem Motel und gingen den Weg zurück. Das Motel hieß TravelWay und lag direkt an der St. Georges Road. Eine Seite der Fahrbahn war mit Plastikband und Warnkegeln abgesperrt, hier war der Asphalt bucklig, aufgeplatzt, und in der Mitte, unter den Schienen der Straßenbahn, hatten sich mit Schlamm und Morast gefüllte Löcher gebildet. Im Licht des späten Morgens war die Straße eine Einöde, leblos und still.
    Wyatt betrachtete alles mit missmutigem Blick: Das war keine Gegend der schnellen Fluchtwege. Das Motel selbst war ein einfacher Bau, eingeschossig, verlief es parallel zur Straße, mit Zimmern, die auf die St. Georges Road hinausgingen, und einer identischen Anzahl von Zimmern an der Rückfront, die an die Hinterhöfe des Vorortes grenzte. Die meisten Wagen auf dem Parkplatz des Motels waren Falcons und Commodores, Autos von Geschäftsreisenden, weiße Kombis mit Musterkoffern und Displays aus Pappe, die hinter den Vordersitzen gestapelt waren. Im Vorbeigehen checkte Wyatt den Innenraum eines jeden Wagens, der auf der Straße und auf dem Parkplatz stand — ein Automatismus —, dann behielt er für einige Minuten die Tür von Zimmer 14 im Auge, während Jardine auf einem Block blauen Sandsteins in der Sonne saß.
    Überzeugt davon, dass sie in keine Falle tappten, klopfte Wyatt an die Tür von Zimmer 14 und trat zur Seite. Ebenfalls ein Automatismus; man hatte schon durch Türspione auf ihn geschossen; Männer hatten ihn aus Türen heraus angegriffen oder durch die Tür in Räume gezerrt, Türen, die ausgesehen hatten wie die rote Tür zu Zimmer
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