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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues
Autoren: Gary Disher
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14.
    Jardine, der das Klopfen gehört hatte, blinzelte und gesellte sich humpelnd zu Wyatt. Eine weibliche Stimme, angenehm und erstaunt, die Stimme eines leicht irritierten regulären Gastes fragte:
    »Wer ist da?«
    »Frank Jardine«, sagte Jardine.
    Die Tür ging auf. Nichts geschah. Als Jardine weder von Händen gepackt noch von Männern angeschrien wurde, er solle sich auf den Boden legen, zeigte sich Wyatt ebenfalls.
    Die Frau fasste sie blitzschnell ins Visier, musterte ihre Gesichter, registrierte, wo sich Jardines und Wyatts Hände befanden, und schließlich glitt ihr Blick prüfend über den Vorplatz des Motels und die aufgerissene Straße hinter den beiden. Bevor das nicht erledigt war, sprach sie kein Wort, drückte nur Vorsicht aus, doch dann lächelte sie und mit einem Mal machte sich Wärme in dem schäbigen Eingangsbereich breit. »Kommt rein«, sagte sie, trat beiseite und zeigte mit der einen Hand in das Zimmer, während sie mit der anderen die Tür vollständig aufstieß.
    Als sie sich an der Frau vorbeizwängten, bemerkte Wyatt, dass sie auf seine Reisetasche sah. Sich seiner Augen bewusst, die auf ihr ruhten, hob die Frau den Blick und grinste. Er konnte nicht umhin und musste ein wenig lächeln. Sie war auf eine fröhliche Art vital, was ihm gefiel, und vermittelte den Eindruck, etwas von ihrem Job zu verstehen, ohne dabei zugeknöpft zu wirken. Sie trug Sandalen und ein locker-lässiges Baumwollhemd über gemusterten Leggins. Ein schwacher Duft von Seife und Shampoo umwehte ihren Kopf. Ihr Haar, fein, dunkel und glatt, war in der Mitte gescheitelt und umrahmte ihr Gesicht. Ihre Gesichtszüge waren nicht ganz regelmäßig: Ein Auge schien etwas unbeweglicher und ein Wangenknochen saß einen Tick tiefer als der andere, wodurch sie so etwas wie humorvolle Skepsis gepaart mit schneller Auffassungsgabe ausstrahlte.
    Wyatt betrat das Zimmer mit einer gewissen Zurückhaltung. Sah man ab von der Standardeinrichtung, war es leer. Jardine überprüfte das angrenzende Badezimmer, kam wieder heraus und nickte. Also hat er doch noch was drauf, dachte Wyatt, stellte seine Reisetasche auf das Bett und öffnete sie.
    »Er verschwendet keine Zeit«, bemerkte die Frau.
    Jardine fing den Ball auf. »Er ist ein wenig zwanghaft«, ergänzte er. Beide konzentrierten sich jetzt auf Wyatt.
    »Kann er sprechen? Trinkt er Tee oder Kaffee?«
    »Man sagt es ihm zumindest nach«, erwiderte Jardine.
    Wyatt war nicht geübt in dergleichen, aber er unternahm einen Versuch. »Ich möchte nichts trinken. Zahnschmerzen. Aber lasst euch dadurch nicht abhalten.« Unwillkürlich wanderte seine Hand hinauf zu seiner Wange.
    Das mitleidige Lächeln in Liz Reddings Gesicht, ihre mitfühlende Art waren echt. »Ein Abszess? Eine alte Füllung?« Sie kam näher, um Wyatt ins Gesicht zu sehen. »Sieht etwas geschwollen aus auf dieser Seite«, stellte sie fest. »Das sollten Sie nachsehen lassen oder Ihr Niveau kommt zu Schaden.«
    Damit konnte sie alles Mögliche gemeint haben. Er verspürte das absurde Verlangen, sie zu umarmen. »Mir geht’s gut.«
    »Aber sicher doch. Ein harter Bursche.«
    »Also, könnten wir jetzt zur Sache kommen?«
    »Ganz wie Sie wollen.«
    Wyatt trat vom Bett zurück und lehnte sich mit dem Hintern an die Kante des Fernsehtisches, über dem ein Bild hing, das Dschunken im Hafen von Hongkong zum Motiv hatte. Jardine drehte den einzigen Stuhl im Zimmer herum und setzte sich darauf. Beide Männer verfolgten, wie Liz Redding das Seidenpapier so lange auseinander faltete, bis das Tiffany-Schmuckstück in ihrer Handfläche lag.
    »Hübsch«, sagte sie schließlich.
    Sie nahm eine Lupe aus ihrer Tasche, hielt sie sich ans Auge und untersuchte die Brosche Stein für Stein, bewegte sie hin und wieder, damit sich das Licht brechen konnte. Zum Schluss nahm sie eine kleine Waage aus einer Schachtel in ihrer Aktentasche und wog den Schmuck. »Nun, es ist echt.«
    »Wie viel?«, fragte Wyatt.
    »Er kommt gern schnell zur Sache, nicht wahr?«, bemerkte sie. »Wie viel, hängt davon ab, ob es im Ganzen verkauft oder auseinander genommen wird«, fuhr sie fort, »also ob Gold und Steine unabhängig voneinander verkauft werden.«
    »Das wäre ein Jammer«, meinte Jardine. Er nahm Liz Redding das Schmuckstück aus der Hand, hielt es über ihre rechte Brust und neigte den Kopf zur Seite, um die Wirkung zu begutachten. »Dort gehört es hin.«
    Liz Redding grinste und schob seine Hand weg. »Ja, genau, einmal im Jahr zieh ich die
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