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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues
Autoren: Gary Disher
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Die Flügel waren ebenfalls aus Gold; Kanalfassungen formten geschwungene Reihen aus Diamanten mit Baguetteschliff, die sich mit Reihen runder Diamanten abwechselten. Der Schriftzug des feinen Prägestempels im Gold lautete: Tiffany & Co.
    Wyatt steckte den Schmetterling zu den fünfzigtausend Dollar. Jardine kannte mit Sicherheit jemanden, der wusste, wie man damit verfuhr — entweder das Stück, so wie es war, in Übersee an den Mann bringen oder die Goldfassung einschmelzen und die Steine separat verkaufen. Ein hiesiger Käufer schied aus: Die größeren Steine könnten identifiziert und leicht zurückverfolgt werden — möglicherweise waren sie irgendwo registriert und konnten einer Röntgentopografie oder einer Fotografie zugeordnet werden.
    Fünf Minuten nach Betreten des Hauses war er bereits wieder draußen und fuhr langsam die Auffahrt hinunter. Am Tor hielt er kurz an und lenkte den Mazda dann auf die Straße. Jetzt waren mehr Leute unterwegs: Kinder gingen zu den Bushaltestellen, Männer und Frauen fuhren in glänzenden ausländischen Karossen zur Arbeit. Alle sahen adrett und gesund aus, und das war auch schon alles, was Wyatt registrierte.

    ZWEI

    Als Ansetts erster Frühflug aus Sydney am Mittwochmorgen in Melbourne landete, spielte Wyatts Zahn verrückt. In dem Bewusstsein, dass man am ehesten beim Warten am Gepäckband geschnappt werden konnte, reiste Wyatt stets mit leichtem Gepäck. Er hatte eine Reisetasche bei sich, mit Kleidung zum Wechseln, die er um den Tiffany-Schmuck und die fünfzigtausend Dollar gewickelt hatte. Obwohl er einen falschen Pass benutzte, vermied er nach Möglichkeit, eine Spur von Dokumenten zu hinterlassen; folglich ließ er die Schalter für Mietwagen links liegen und nahm sich ein Taxi.
    Dreißig Minuten bis zur Ausfahrt Brunswick Road, und selbst dort standen die Autos Stoßstange an Stoßstange. Er sah auf die Uhr: Es war acht Uhr morgens. In Coburg mussten sie inzwischen wach sein.
    Der Taxifahrer bog links in die Brunswick Road ein und fuhr weiter Richtung Osten.
    »Ich würde die Sydney Road gern umfahren«, sagte er, »wenn Ihnen das recht ist.« Wyatt nickte. Die Sydney Road führte direkt nach Coburg, doch er wusste, dass sie jetzt, zur Hauptverkehrszeit, durch die Straßenbahnen und Schwertransporte völlig dicht war. Ein paar Querstraßen vor der Sydney Road bog der Fahrer links ab und schlängelte sich nach Coburg hinein — eine Gegend mit überhitzten kleinen Straßen und Wheatherboard-Häusern —, um Wyatt schließlich an der Einmündung zu einer asphaltierten Sackgasse abzusetzen. Die Sackgasse hatte die Länge von zehn Häusern. Wyatt stieg aus, bezahlte, vergewisserte sich, dass niemand ihm gefolgt war, und ging dann zu dem weißen Weatherboard-Haus, in dem Jardines langsames Sterben womöglich bereits begonnen hatte.
    Jardines Schwester öffnete die Tür. Sie sah verhärmt aus und dünn, in einer plötzlichen Gefühlsaufwallung verzog sich ihr Mundwinkel nach unten, als ihr klar wurde, dass es Wyatt war, der da vor ihr stand. Ein Gesichtsausdruck, den Wyatt nur zu gut kannte, also sprach er ihren Namen mit Vorsicht aus, sanft, beinahe flüsternd: »Nettie.«
    Verbitterung schlug um in Verzweiflung und Nettie sagte: »Warum lässt du uns nicht in Ruhe? Wir kommen zurecht. Du weckst nur schlechte Erinnerungen.«
    »Hat er das gesagt?«
    Sie blickte trotzig zur Seite. »Es tut ihm nicht gut, dich zu sehen.«
    »Lass ihn das entscheiden, Nettie.«
    Jardines Schwester biss sich auf die Unterlippe, zuckte die Achseln und schlug Wyatt die Fliegengittertür vor der Nase zu, um anschließend über den düsteren Flur in einem hinteren Zimmer zu verschwinden. Das Haus war renovierungsbedürftig und roch drinnen nach Feuchtigkeit und eingepferchten Menschen. Es war nur gemietet. Tapeten, Teppiche, die elektrischen Anlagen und Kunststoffoberflächen stammten allesamt aus den trostlosen späten fünfziger Jahren, und Wyatt hoffte auf den Tag, an dem er Jardine und seine Schwester hier herausholen und angemessener unterbringen konnte.
    Nettie tauchte aus dem Dunkel auf und strich sich einige Strähnen kraftlosen Haars hinter die Ohren. Mit ihren ausgeprägten Wangenknochen, den großen dunklen Augen und dem leidgeprüften Blick hätte sie ebenso gut eine Überlebende der Dürrekatastrophe von Oklahoma sein können. Als sie die Fliegengittertür öffnete, damit Wyatt eintreten konnte, sagte sie: »Du sollst wissen, dass er dich nicht verantwortlich macht, aber wir
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