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Polt.

Polt.

Titel: Polt.
Autoren: Alfred Komarek
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werde.«
    »Nicht nur, Simon, nicht nur. Ich kenn das Gedicht nämlich, aus dem sie zitiert. Hat ein gewisser Friedrich Schiller geschrieben. Und ich kenn auch die letzten zwei Zeilen: Platz ist in der kleinsten Hütte für ein glücklich liebend Paar. Was sagst jetzt?«
    »Kein Wort. Oder doch. Es ist nämlich so… Sie bekommt ein Kind von mir, die Karin. Zweiter Monat!«
    Norbert Sailer zeigte verblüfft mit dem tropfenden Kochlöffel auf den werdenden Vater. »Noch ein Polt! Als ob nicht einer mehr als genug war.«
    Im Gesicht von Birgit Sailer war die Sonne aufgegangen. »Simon! Ich freu mich so sehr mit euch beiden! Wie geht’s denn der Karin?«
    »Sie kann das Wirtshaus nicht mehr riechen und mich nur noch bedingt.«
    »Normal. Das legt sich. Aber glücklich seid ihr alle zwei, nicht wahr?«
    »Ja, schon. Die Frau Habesam meint, dass es höchste Zeit fürs Heiraten wäre. Mit ihr als Trauzeugin.«
    »Ja und was meint die Karin?«
    »War noch kein Thema, bisher.«
    »Willst du damit sagen, Simon, dass du sie noch nie gefragt hast?«
    »Also ich hab immer gedacht, dass sie sich’s ja denken kann.«
    »Simon, Simon!« Birgit Sailer hatte sich weit über den Tisch gebeugt und ergriff Polts Hände. »Ein Kind bringt er zusammen, aber was Wichtiges fragen traut er sich nicht.«
    »Ich war lange mit mir allein. Da kommt man aus der Übung bei solchen Sachen.«
    Jetzt stellte Norbert Sailer die gefüllten Suppenteller auf den Tisch. »Bring einen wackeren Junggesellen nicht in Verlegenheit, liebe Frau. Jetzt wird erst einmal gegessen. Werdende Väter brauchen Kraft für den Daseinskampf.«
    »Und die werdenden Mütter, Norbert?«
    »Die auch. Mahlzeit.«
    Nach dem Essen hob Polt den Kopf und seufzte. »Also, wie soll ich sagen. Auf der einen Seite ist es ganz einfach: zum Verrücktwerden schön nämlich. Andererseits hab ich Angst davor, alles falsch zu machen, was ein Mann nur falsch machen kann.« Als er keine Antwort bekam, lächelte er versonnen. »Versteh schon. Meine Blödheiten gehören mir allein. Aber es gibt ja auch weniger komplizierte Neuigkeiten. Einen dritten Beruf hab ich jetzt auch noch: geprüfter und diplomierter Kellergassen-Führer.«
    »Alle Achtung!« Norbert Sailer stand auf, räumte das Geschirr ab und kam zum Tisch zurück. »Reich wirst du damit aber nicht werden, Simon.«
    »Muss ja nicht sein. Ich hab mir das so überlegt: Wenn unsere Gäste sich mehr und mehr für die Kellergassen interessieren, weil sie Verständnis dafür haben, werden vielleicht auch die Weinbauern im Wiesbachtal wieder draufkommen, auf welche Schätze sie einfach verzichten.«
    »Gscheit ist er, unser Simon. Aber mich brauchst du nicht zu bekehren. Bei mir ist sogar noch die alte Baumpresse in Betrieb.«
    »Ja, ich weiß. Kann ich in dein Presshaus hinein, zum Herzeigen?«
    »Na klar.«
    »Und noch was, ich fang bald an mit den Führungen. Der Weingarten hinter dem Presshaus gehört ja auch dir. Kannst mir bei Gelegenheit erzählen, was sich da so tut, um diese Jahreszeit?«
    »Wenig genug, Simon, ist also schnell erledigt. Aber nicht hier in der Küche. Magst gleich mit mir hinauskommen?«
    »Es ist stockfinster.«
    »Es gibt Taschenlampen. Und ich war heute noch nicht an der frischen Luft.«
    »Ja dann!«
    »So, da sind wir. Bleiben wir auf dem Güterweg, der Boden im Weingarten wird ziemlich tief sein nach dem Regen.« Norbert Sailer atmete durch. »Dich hat der Himmel geschickt, Simon! Ich war doch glatt vor dem Fernseher verkommen. Hier leb ich auf. Macht viel Arbeit, meine kleine Wirtschaft, aber sie zeigt mir, dass es nicht nur ein Leben als Polizist gibt. Ohne Weingarten, ohne Presshaus und Keller als tröstliche Gegenwelt hätte ich längst resigniert und die Uniform hingeschmissen.«
    Polt schaute ihn erstaunt an. »Du auch?«
    »Ja, klar. Da gibt’s jede Menge Bosheit unter den Leuten, Hass, Neid, Gewalt, aber auch Wut und Verzweiflung, Stumpfsinn, Irrsinn, pervertierte Liebe, was weiß ich. Und dieses Höllengebräu gärt unter der schönen, ruhigen Oberfläche. Nur ab und zu reißt ein Loch auf und es passiert was. Wir dürfen dann den Dreck wegräumen, Simon, und dem Gericht sauber sortiert vorlegen. Und zwischendurch ist es fad und banal. Ach was. Da, schau her: Die Reben haben um diese Zeit noch nicht ausgetrieben. Aber du kannst auf den Rebschnitt hinweisen: Qualität oder Masse, das ist die Frage. Dreimal darfst du raten, wofür ich mich entschieden habe. Und dann wirfst du einen Kennerblick auf
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