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Polt.

Polt.

Titel: Polt.
Autoren: Alfred Komarek
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bog in die Hintausgasse ein und fand sich wie zufällig vor Karin Walters kleinem Haus wieder. Polt schaute auf die Uhr: Gegen elf… Ob er es wagen konnte?
    Eigentlich schon, wenn er sein Anliegen bedachte - und es war ja noch Licht im Fenster. Er klopfte, Karin Walter öffnete die Tür. »Simon! Bist du neuerdings Nachtwächter im Viertberuf?«
    »Nein, war aber gar keine schlechte Idee. Dusag einfach, wenn ich ungelegen komm, und ich bin schon weg.«
    »Du weißt gar nicht, wie gelegen du kommst!« Sie stutzte. »Wie schaust denn du drein?«
    »Werdende Väter schauen so.«
    »Ja dannherein mit dir!« Sie ging voran und wies auf einen Stapel bunt eingebundener Schulhefte. ,Aufsätze, Aufsätze, Aufsätze! Also, mir reicht’s für heute. Komm, setz dich her da. Und jetzt zeig ich dir was. Möchte wissen, was du dazu meinst.« Sie schlug eins der Hefte auf. ,ßei uns daheim war das Thema. Schau dir an, was der Ulli geschrieben hat.«
    Polt las leise vor. ,Fantsiegeschichten von Ulrich Kaspar. Es war einmal eine Henne die aß zum Frühstück 6 Leibbrote und 4.000 Eier. Aber ein Wolf aß 300 Leibbrote und 40000 Hühner. Und das war’s, Karin?«
    »Ja.«
    »Weißt du, ich bin kein Lehrer, und im Aufsatz war ich nie besonders gut. Aber ich find’s großartig. Und so richtig aus dem Leben gegriffen.«
    »Ganz meine Meinung. Aber wenn ich den Text so beurteile, wie ich ihn beurteilen müsste, wär’s ein glattes Nichtgenügend.«
    »Ja und wenn du gar keine Note drunter schreibst, sondern einen Satz? Ich meine, so ungefähr wie: Das ist eine so schöne Geschichte, dass die Fehler ausnahmsweise nicht so wichtig sind.«
    »An dir ist ein Lehrer verlorengegangen, Simon! Richtig korrekt ist das aber natürlich nicht.«
    »War mir auch als Gendarm schon immer ziemlich egal.«
    »Wem sagst du das! Wie war’s denn heute so?«
    »Die Frau Habesam weiß jetzt Bescheid.«
    »Noch besser als sonst?«
    »Unser Kind, Karin. Sie hat mir auf den Kopf zugesagt, dass ich wie ein verklärter Märtyrer dreinschau - hab ich’s ihr halt erzählt.«
    »Um Himmels Willen! Aber gut beobachtet hat sie - und früher oder später wär’s nicht mehr zu verheimlichen gewesen, also dann eben früher. Ihr Kommentar?«
    »Höchste Zeit für die Hochzeit. Sie geht als Trauzeugin, sie rollt, genauer gesagt.«
    »Und du, Simon, was sagst du?«
    »Recht hat s’, die Frau Habesam.«
    »Mein Lieber!« Karin Walter ergriff eins der Schulhefte und schlug es Polt sanft um die Ohren. »Wenn das ein Heiratsantrag gewesen sein soll: Geht’s nicht ein bisschen feierlicher?«
    »Ich hab’s ja eh probiert, Karin. Also, was ist?«
    »Ja und nein, nein und ja, was weiß ich.«
    »Sag einmal, ist es dir egal, wenn’s für das Kind keine richtige Familie geben wird?«
    »Jetzt hast du dich aber verraten. Ich allein hätt noch lange warten können, bis du mich fragst.«
    Simon Polt flüchtete sich in einen beredten Seufzer. Dann schwieg er und suchte in Karin Walters Gesicht nach Spuren von Gnade, fand aber nur freundliche Glätte. »Was soll ich sagen, Karin… Vor Jahren, ich war noch Gendarm, hab ich in meinem Presshaus mit dem Christian Wolfinger geredet - der Jäger, du weißt schon. Und weil bald Weihnachten war, hab ich ihm von dir erzählt und davon, wie ungeheuer gern ich dich hab. So sind wir aufs Heiraten zu sprechen gekommen. Ich bin gute vierzig, hab ich g’sagt.
    Da hat man so seine Angewohnheiten. Er drauf: Und meistens schlechte.«
    »Meinst du, die kenn ich nicht alle, nach der langen Zeit?«
    »Weiß ich, was der Czernohorsky zu dir sagt?«
    Jetzt lachte Karin, lachte lange und vergnügt. »Was magst denn zum Frühstück, Simon?«
    »Frühstück?« Polt bekam einen roten Kopf.
    Die Lehrerin betrachtete ihn innig und zufrieden. »Danke, Lieber! Das nenn ich ein Kompliment…«
    Es war noch dämmrig, als die zwei tags darauf einträchtig am Küchentisch saßen. »Weißt du, Karin«, Polt kämpfte mit einem halb rohen Frühstücksei, »so verknittert und verstrubbelt hab ich dich noch lieber als sonst.«
    »Ja?« Sie lächelte verlegen.
    »Ja! Ich hab dich nur für mich, und du gehst keinen anderen was an.« Er griff nach einem Toastbrot, das nur mit viel gutem Willen als dunkelbraun bezeichnet werden konnte, und legte einen Würfel von Karins legendärem Quittengelee darauf, das sich durch hohe Elastizität und erstaunliche Bissfestigkeit auszeichnete. Es gab Leute, die Karin Walters Kochkunst als furchterregend bezeichneten. Polt zog es vor,
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