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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen
Autoren: Alfred Komarek
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Augen dem Erscheinungsbild eines Landedelmannes entsprach. In Wien, wußte Polt, war Swoboda in der Anzeigenabteilung einer großen Tageszeitung beschäftigt. Nach seiner eigenen Darstellung diktierte er allerdings das Geschehen in der Redaktion, stand knapp davor, den Chefredakteur abzulösen und den Herausgeber endlich in die Schranken zu verweisen.
    »Hallöchen!« rief der neue Gast frohgemut, »Franzgreis, alter Weinpantscher, gib mir was Rotes zum Kosten! Und dem tapferen Ordnungshüter stellst du natürlich auch ein Glas hin.«
    »Danke nein. Ich bin Antialkoholiker«, sagte Simon Polt trocken.
    »Sehr launig heute, unser Maigret.«
    Florian Swoboda hob mit großer Geste sein Glas gegen das Licht. »Ganz anständige Farbe für einen schlichten Rotwein aus der Gegend. Welche Sorte?«
    »Ein Blauer Portugieser«, sagte Franzgreis kühl bis ans Herz hinan.
    »Mehr fällt euch wohl nicht ein?« Der Gast hob das Glas zur Nase und schwenkte es mit einer kleinen, gezierten Handbewegung. »Sauber. Immerhin. Ein bisserl schwach, das Fruchtaroma.« Er nippte, schlürfte geräuschvoll und fuhr fort: »Leichter Körper, passabler Abgang, aber noch recht unausgewogen, alles in allem. Vor ein paar Wochen habe ich übrigens einen meiner Bordeaux verkostet. Chateau Malescot-St. Exupery, Grand Cru Classe, zehn Jahre alt. Mein lieber Franzgreis! Da hört man die Engel singen! Aber weißt du was: Gib mir einen Sechserkarton von dem Blauen Portugieser mit. Tut ganz gut, einmal einen schlichten Tropfen zu trinken, zwischen all den großen Weinen.«
    Franzgreis ging nach hinten, um den Wein zu holen, und Simon Polt fragte beiläufig: »Sie haben doch von Albert Hahn ein Preßhaus gekauft, nicht wahr?«
    »Allerdings.« Florian Swoboda wandte sich dem Inspektor zu. »In Brunndorf, gleich hinter dem Friedrich Kurzbacher. Ein köstlicher Kauz übrigens. Ich könnte mich totlachen über ihn.«
    »Tu’s doch«, dachte Polt, brauchte aber nichts zu sagen, weil sein Gegenüber schon weiterredete. »Schade übrigens um den Albert, wirklich verteufelt schade! Cleverer Bursche! Er hat Bewegung in die Gegend gebracht. Und er hat weitergedacht: die Kellergasse von Brunndorf als Feriendorf! « Inzwischen war Franz Greisinger mit dem Wein gekommen. »Mein lieber Freund und Wirt!« fuhr Florian Swoboda fort. »Visionen braucht das Land! Fremdenverkehr! Nette, anspruchslose Gäste, die ihr Geld da lassen und sogar deinen Wein trinken! Nichts für ungut, Franzgreis! Ich muß jetzt gehen, Gäste, wißt ihr? Journalisten, Künstlervolk, und wie das halt so ist bei mir. Ciao also und tschüs!«
    »Grüßgott, Herr Swoboda«, klang es aus Bartls Ecke. »HabedieEhre, Eure Grindigkeit«, entgegnete der Wiener.
    »Auf Wiedersehen, Herr Swoboda«, sagte Franzgreis höflich, nahm zwei dickwandige Spitzgläser aus dem Schrank und goß Selbstgebrannten Trebernschnaps hinein. Wortlos stellte er die Gläser vor Simon Polt hin. »Mein Gott, ohne unsere gescheiten Gäste würden wir schön blöd ausschauen«, sagte dieser, und der Wirt nickte. Sie stießen die Gläser gegeneinander, beide tranken, und Polt fühlte, wie sanftes Feuer durch seine Kehle strömte und sein Inneres wärmte.
    Von beiden unbemerkt, war Bartl aufgestanden und kam näher. »So tot war noch keiner, wie der Hahn tot ist«, sagte er mit feierlicher Stimme, zu der sein ausgesprochen übler Mundgeruch nicht recht paßte. »Zum Weinen ist das, nicht wahr?« Er schaute Polt herausfordernd ins Gesicht.
    »Ich weiß nicht recht«, antwortete der Inspektor. Bartl grinste plötzlich. »Dann ist es vielleicht zum Lachen.«
    Es war gegen zehn, als Polt das Hoftor aufsperrte. Er wohnte beim Höllenbauer im Ausgedinge, seit der alte Höllenbauer, ewig schade um ihn, gestorben war. Polt ging den dunklen Hof nach hinten, öffnete die Tür ins Vorzimmer und stolperte Sekunden später über Czernohorsky, der ein empörtes Fauchen ausstieß.
     
    Hier unten hängt alles zusammen
     
    »Nichts für ungut, alter Fellsack«, brummte Polt begütigend, beugte sich zu Czernohorsky nieder, hob an die sechs haarige Kilos Kater hoch, drückte das Untier brüderlich an sich und kraulte es hinter dem linken Ohr. Czernohorsky schenkte seinem menschlichen Mitbewohner ein angedeutetes Schnurren und begann wenig später sich zu sträuben: Allzu innige Nähe widersprach seinen Vorstellungen von würdevoller Distanz. Polt setzte ihn auf den Küchensessel, und als er dem Kater, sich abwendend, noch einmal gedankenverloren
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